Die Uni, die ETH und der pro-palästinensische Aktivismus

Seit zwei Jahren befinden sich Studierende und die Hochschulen im Konflikt um Meinungsfreiheit und Nulltoleranz. Die Geschehnisse seit dem 7. Oktober 2023 im Überblick. Eine Recherche.

Gena Astner, Giorgio Dridi (Text) und Mara Schneider (Illustration)
17. November 2025

Der Auftakt

1.10.23 – In den Gängen der Uni Zürich hängen Plakate mit der Aufschrift: «Solidarität mit Palästina – Intifada bis zum Sieg». Aufgehängt wurden sie vom studentischen Verein «Marxistische Studierende Zürich» (MSZ), der mit dem «Funken» in Verbindung steht, die deutschschweizer Sektion der «International Marxist Tendency» (IMT). Letztere ist ein internationaler Zusammenschluss marxistischer Gruppierungen. Der MSZ wirbt damit für eine Veranstaltung auf dem Gelände der ETH und der Uni, um sich über die Unterstützung der Befreiung Palästinas auszutauschen. Von einer Kundgebung ist nicht die Rede.

12.10.23 – Am selben Tag soll der vom Zentrum für Krisenkompetenz der Uni Zürich organisierte «Crisis Conference Call» (CCC) stattfinden, an dem eine Expertin über das Attentat der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober und seine Folgen sprechen soll. Doch schon einen Tag nach der Bekanntgabe wird die Veranstaltung ersatzlos abgesagt und jegliche Informationen dazu werden unkommentiert von der Webseite gelöscht.

12.10.23 – Am frühen Morgen interveniert Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG), und bittet Uni und ETH gemäss 20 Minuten um ein Verbot der Veranstaltung. Eine jüdische Studentin, die anonym bleiben will, zeigt sich erschüttert über die Plakate: «Es ist ein Aufruf zu Gewalt und Krieg. Ich bin überrascht und schockiert, dass ein solches Denken an der Universität besteht», sagt sie gegenüber 20 Minuten und fügt hinzu: «Studentinnen und Studenten haben Angst, an die Uni zu gehen, wenn sie wissen, dass es dort Personen gibt, die sich klar gegen die Existenz von Jüdinnen und Juden sowie Israel positionieren.» Die beiden Hochschulen folgen Kreutners Bitte und sagen die Veranstaltung ab.

Die Uni schreibt dazu, dass sie keinen Aufruf zur Gewalt toleriere: «Der von den Veranstaltern verbreitete Aufruf zur ‹Intifada bis zum Sieg› ist nicht vereinbar mit der Haltung der UZH. Die UZH unterstützt demokratisch geführte Diskussionen.» Die ETH äussert sich mit demselben Wortlaut und fügt hinzu, dass die «Kundgebung» auf der Polyterrasse nicht bewilligt sei und nicht toleriert werde. Eine «demokratisch geführte Diskussion» hätte die Veranstaltung werden sollen, teilt Flurin, ehemaliger Co-Präsident der MSZ, der ZS mit. Die Medien – allen voran 20 Minuten, gefolgt von der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) und dem Tages-Anzeiger – hätten fälschlicherweise von einer Kundgebung berichtet. Die Boulevardzeitung titelt: «Unbekannte Gruppe ruft zu Pro-Hamas-Kundgebung in Zürich auf». Nur so kann er sich erklären, dass die Polizei mit drei Kastenwagen auf der Polyterrasse eintraf, um nach kurzer Verwirrung über die fehlende Demonstration wieder umzukehren.

Am selben Tag publiziert die IMT Schweiz ein Statement zur Berichterstattung in den Medien über die angebliche Kundgebung und kritisiert diese scharf. Ein «absoluter Skandal» sei laut IMT auch, dass die JUSO-Führung um Nicola Siegrist bei dieser Repression mitmache. In einem Post auf X unterstützte die JUSO Schweiz das Verbot der Uni Zürich und forderte andere Unis auf, dasselbe zu tun.

Kurz darauf entziehen auch die Unis Bern und Fribourg den marxistischen Studierenden die Räumlichkeiten für Veranstaltungen. In ihrem Statement schreibt die IMT, dass Palästinenser*innen auf einen Status reduziert werden, der sich von einer Art Sklaverei nicht gross unterscheidet: «Sklaven, die aller anderen Rechte beraubt sind, können nur auf das eine Recht zurückgreifen, das ihnen bleibt: das Recht auf Aufstand.» Die Parole: «Solidarität mit Palästina: Intifada bis zum Sieg!» beziehe sich laut IMT auf solch einen Widerstand.

Intifadas bezeichnen Massenaufstände von Palästinenser*innen, die sich gegen die Besatzung des israelischen Staates zur Wehr setzen. Auch Flurin weist auf das Statement von IMT hin und bekräftigt, dass es ihm nicht darum ginge – wie es bürgerliche Medien suggerieren – jüdische Menschen zu vertreiben, sondern das unterdrückerische Regime Israels zu stürzen.

Der Pro-Hamas-Vorwurf diene laut Flurin nur dazu, alle anzugreifen, die sich gegen den Genozid stellen. Trotzdem teile auch er die Methoden der Hamas nicht, denn damit erreiche man keine Befreiung. Statt symbolischer Bekenntnisse aus dem Westen brauche es laut Flurin breite Aktionen wie Generalstreiks in Italien, bei denen sich Hafenarbeiter*innen weigern, mit Waffen beladene Boote Richtung Israel zu bedienen.

13.10.23 – Der SIG fordert die Universität Zürich in einer Stellungnahme auf, den Verein MSZ «genauer unter die Lupe zu nehmen». «Es kann nicht nur dabei belassen werden, eine Veranstaltung zu verbieten», so Kreutner. Ein Verein, der Gewalt duldet, dürfe an einer Bildungsinstitution nicht toleriert werden. Laut einer Medienmitteilung der Uni sei man mit dem Verein in Kontakt und werde ihn «an die Rechte und Pflichten einer studentischen Organisation erinnern». Würden diese nicht erfüllt, könnte die Aberkennung als studentische Organisation drohen. In ihrer darauffolgenden Stellungnahme warnen die marxistischen Studierenden, die Universität würde einen «sehr gefährlichen» Weg einschlagen, wenn sie dem Verein den Status als studentische Organisation aberkennt, da damit die Rechte der Studierenden auf freie Meinungsäusserung noch weiter beschnitten würden. Das stünde im Widerspruch zur eigenen Forderung der Uni nach demokratischen Diskussionen.

11.12.23 – Die Uni Zürich erntet in einem Positionspapier des VSUZH scharfe Kritik für ihren Umgang mit dem Konflikt zwischen Israel und Palästina: Die Uni handle intransparent und kommuniziere unpräzise, besonders hinsichtlich der Verhängung von Veranstaltungsverboten sowie der kommentarlosen Absage des bisher einzigen von ihr organisierten CCC-Infoevents zum Thema. Das Verbieten der marxistischen Aktion vom 12. Oktober werde zwar vollumfänglich unterstützt, die Uni müsse sich jedoch aktiv gegen die Gleichsetzung von Organisationen wie «der Funke» mit friedlichen pro-palästinensischen Positionen stellen, wie diese infolge einer Medienmitteilung der Uni erfolgte. Der Studierendenverband fordert eine Stellungnahme des Rektorats und des Zentrums für Krisenkompetenz sowie konkrete Massnahmen, um einen Raum für offenen und sicheren Dialog zu schaffen. Vergleichsweise fanden bereits kurz nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine verschiedene Informationsveranstaltungen statt.

28.02.24– Eine Vertreterin der MSZ hält an der Activity Fair eine Rede, in der sie erklärt, dass der Genozid in Gaza nur durch die Unterstützung des Westens sowie der Uni Zürich möglich sei. Sie fordert Studierende dazu auf, die Petition «Free Palestine: Gegen die Repression der Uni Zürich» zu unterschreiben. Kurz darauf muss sie den Lichthof verlassen: Auf Druck der Unileitung muss die Impulsfabrik des VSUZH, verantwortlich für den Event, den Stand der MSZ räumen. Im darauffolgenden Gespräch mit der MSZ begründet Rektor Michael Schaepman das Vorgehen erneut mit dem «Aufruf zur Gewalt».

27.03.24 – Fünf Studierende von «Lunches for Palestine»* halten vor dem Hauptgebäude der Uni Schilder
mit Slogans wie «Stop the Genocide!», «Ceasefire now!» und «UZH doesn't want you to see this» hoch. Gemäss eines Beteiligten werden diese kurz darauf von Sicherheitsangestellten der Uni weggeschickt. Die Studierenden verlagern sich auf den Gehsteig vor dem Hauptgebäude. Nach mehreren Stunden trifft die Polizei ein, interveniert jedoch nicht.

*Nachdem jeder Versuch scheiterte, eine Veranstaltung über Palästina zu organisieren, entsteht «Lunches for Palestine» mit dem Motto: «Let’s talk about Palestine, because UZH doesn’t.» Später formieren sich daraus die Bewegung «Students for Palestine» (SfP) sowie die offizielle Studierendenorganisation «Palestine Student Association» (PSA).

28.05.24 – SfP startet eine Solidaritätspetition für einen christlich-palästinenischen Studenten an der Uni Zürich. Dieser wurde von einem Professor für Wirtschaft rassistisch angegriffen. Laut dem Petitionstext nannte ihn der Professor einen «Islamofascist», nachdem er die Ansichten des Professors zu israelischen Institutionen hinterfragt hatte. Nach Angaben der Petent*innen hatte der Angriff seinen Ursprung in der Kufiya, die der Student über seinen Schultern trug: Der Professor habe diese als Provokation empfunden. Der Student, der anonym bleiben möchte, wird laut eigenen Aussagen später von der Uni verwarnt. Ob dem Professor Konsequenzen drohen, ist bis heute unklar. Auf Nachfrage der ZS gibt die Uni aus personen- und datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft zum Verfahren und allfälligen Massnahmen. So bleibt auch unklar, gegen welche Regeln der Student verstossen haben soll.

05.07.24 – Die Palestine Student Association (PSA) wird offiziell von der Impulsfrabrik des VSUZH als Studierendenorganisation anerkannt und bezüglich der Ausstellungsorganisation zum offiziellen Kollaborationspartner der MSAZ.

27.09.24 – Die von der PSA geplante Vorführung des Films «Gazafights for Freedom» wird am Tag zuvor von der Uni abgesagt. Der Präsident der PSA erhält am Vortag einen Anruf, in dem es heisst, dass der Event nicht stattfinden könne, weil ein Sicherheitsdispositiv fehle. Die Studierenden setzen sich durch, werden aber in einen Raum mit einer Sicherheitskamera versetzt.

14.04.24 – Die PSA organisiert ein Screening des Oscar-Preisträger-Films «No Other Land» in der Rechtswissenschaftlichen Uni-Bibliothek. Aufgrund angeblicher Sicherheitsbedenken von Seiten der Uni sind lediglich Studierende zur Veranstaltung zugelassen. Laut PSA hätten andere Studierendenorganisationen keine solchen Vorgaben.

07.05.24 – Gemeinsam mit den Fachvereinen Philosophie und Filmwissenschaft organisiert die PSA den Vortrag «Threats Ahead of a Democratic and Progressive Syria» mit dem Gastprofessor Joseph Daher. Im Veranstaltungsraum im Hauptgebäude der Uni befindet sich eine Überwachungskamera. Um den Teilnehmenden Persönlichkeitsschutz zu bieten, decken die Organisator*innen die Sicherheitskamera im Seminarraum ab. Kurz darauf betritt laut PSA ein Sicherheitsangestellter der Uni den Raum und fordert die Studierenden auf, aufgrund einer angeblichen Überhitzungsmeldung die Abdeckung über der Kamera zu entfernen.

22.08.24 – Die Uni Zürich hält eine Podiumsdiskussion zur Krise im Nahen Osten ab, die vom «UZH Zentrum für Krisenkompetenz» organisiert wurde. Neben Frank Rühli, Co-Leiter des Krisenkompetenzzentrums, nehmen am Podium Konrad Schmid, Professor für alttestamentliche Wissenschaft und frühjüdische Religionsgeschichte, Elham Manea, Professorin für Politikwissenschaft, Dina Pomeranz, Professorin für Mikroökonomie und Jasr Kawkby, Kinderarzt am Stadtspital Triemli, teil. Während Kawkby, der in Gaza aufgewachsen ist, die Perspektive Palästinas einbringt, bringt Pomeranz die jüdische ein.

30.09.24 – Zum Semesterstart führt die PSA einen Kick-off Event durch. Dabei sollte ein Film gezeigt werden. Für das Vorführen von Filmen wird jedoch eine Filmlizenz benötigt. Zugleich verlangt die Uni auch dafür ein Patronat bzw. eine wissenschaftliche Einordnung. Gemäss der PSA nennt die Uni später diese unerfüllten Bewilligungsbedingungen als Grund für die Absage der Filmvorführung. Wer in welchen Fällen über die Patronatspflicht einer Veranstaltung entscheidet, lässt die Uni trotz mehrerer Nachfragen der PSA unbeantwortet.

28.10.25 – Die PSA hält einen Lesezirkel zu Ghassan Kanafanis «The 1936-39 Revolt in Palestine» im Hauptgebäude der Uni Zürich. Laut den Organisator*innen stellt die Uni kurz vor der Veranstaltung Fragen zu Sicherheitsdispositiv und Besucher*innen. Der PSA wird 21 Stunden zur Antwort gegeben. Die Studierenden reagieren rechtzeitig, sodass der Lesezirkel stattfinden kann – erneut in einem Raum mit Sicherheitskameras.

Im Fadenkreuz der NZZ

19.03.24 – Die NZZ veröffentlicht einen Gastbeitrag des Stuttgarter Architekturprofessors Stephan Trüby mit dem Titel «Israelhasser an der ETH Zürich: Nun soll ein Hamas-Unterstützer auftreten». Laut Trüby rangiere die ETH «unter allen wichtigen Bildungsstätten weltweit auf einem Spitzenrang, was Israel-hass angeht». Scharfe Kritik richtet Trüby besonders an Samia Henni, damals Gastprofessorin an der ETH. Trüby erklärt nicht nur ihre Forschungsarbeit «Architecture of Counterrevolution. The French Army in Northern Algeria» für unwissenschaftlich, sondern greift sie auch für ihre Kritik an zionistischer, kolonialer Gewalt sowie die Unterstützung des Boykotts des israelischen Pavillons auf der Kunstbiennale in Venedig an.

28.03.24 – Die NZZ kritisiert in einem Artikel den Vortrag «Weaponized Architecture: Settler Colonialism and the Built Environment in Palestine» von Professor Léopold Lambert an der ETH. Organisiert wird dieser seit Mitte Januar von Studierenden der Gruppe «Unmasking Space». Als Politaktivist und Herausgeber des Architekturmagazins «The Funambulist» propagiere Lambert «ein linksextremes, von postkolonialen Ideologien beeinflusstes Weltbild». Lambert wird unterstellt, die Gewalttaten der Hamas zu entschuldigen und die Terrororganisation zu unterstützen.

8.04.24 – Die ETH sagt Léopold Lamberts Vortrag zum Siedlerkolonialismus in Palästina zwei Tage vor Veranstaltungsdatum ab. Laut einer Stellungnahme der ETH-Leitung verfüge Lambert zwar über die «entsprechende Fachexpertise», begründet wird die kurzfristige Absage aber damit, dass sich Lambert nicht «glaubhaft und genügend explizit von Gewalt» distanziere. Als Reaktion darauf veröffentlicht das Magazin «The Funambulist» einen Tag später einen Artikel, in dem Auszüge aus dem E-Mailverkehr zwischen Lambert und dem Rektor der ETH vorkommen. Daraus geht hervor, dass sich Lambert weigerte, die Stellungnahme «Solidarity with people in the Middle East» der ETH zu unterzeichnen, da sich diese nicht konkret auf das Leid der Palästinenser*innen beziehe.*

*Die Webseite der Solidaritätsbekundung der ETH ist heute nicht mehr zugänglich.

13.04.24 – Rektor Günther Dissertori, Departementsleiter Matthias Kohler und Professor Philip Ursprung nehmen in einem Interview mit der NZZ erstmals Stellung zu den Extremismusvorwürfen innerhalb des Architekturdepartements der ETH. Die drei Vertreter distanzieren sich von den Vorwürfen zum strukturellen Antisemitismus und Israel-Hass. Sie betonen, dass Meinungs- und Forschungsfreiheit ein hoch geschätztes Gut sei. Demnach habe Léopold Lambert auch das Recht, sich nicht «glaubhaft von Gewalt zu distanzieren», müsse aber entsprechend auch mit Konsequenzen rechnen. Gegenüber Diskriminierung und Beleidigung herrsche an der ETH eine Nulltoleranz.

16.05.24 – ETH-Architekturprofessorin Samia Henni erhält eine Morddrohung: An ihrer Bürotür hängt eine schwarz-weiss Kopie von Xenia Hausners «Bullet in the Head». Das Gemälde bildet eine Frau ab, die sich eine Schusswaffe an den Kopf hält. Henni benachrichtigt das Dekanat, das Threat Management Team der ETH und die Stadtpolizei Zürich. Studierende starten infolgedessen eine Petition, in der sie Rechenschaft Henni und rechtliche Massnahmen für die Aktion fordern. Grundsätzlich werden alle Meldungen vom Bedrohungsmanagement (BM) auf ihre Kriterien hin überprüft, bevor sie als Fälle weiterbearbeitet werden. Wird die drohende Person identifiziert, wird sie vom BM befragt und es wird über mögliche Konsequenzen wie etwa Exmatrikulation oder Entlassung entschieden. Inwieweit dieses Protokoll bei Samia Henni befolgt wurde oder ob eine Täter*in ausfindig gemacht wurde, lässt das BM unbeantwortet. Auch die Frage, wann Studierendenproteste die Bedrohungskriterien der BM erfüllen, lässt das BM unbeantwortet.

02.06.24 – Auf der Website des Vereins «Speak Up! in Academia» nimmt dessen Präsidentin Dr. Margrit Hugentobler Stellung zum NZZ-Artikel von Stephan Trüby. Sie stellt klar, dass die Vorwürfe gegen Gastprofessorin Samia Henni «erfunden, unwahr oder aus dem Kontext gerissen» sind: «Fünf Professor*innen des Departements Architektur (zwei davon Betreuer ihrer Dissertation) widerlegten die Aussagen von Trüby Punkt für Punkt in einer ETH-internen Mitteilung am 25. April.» Sie kritisiert die NZZ für die ausgebliebene Überprüfung der Fakten sowie die nicht erfolgte Kontaktaufnahme mit Henni vor der Veröffentlichung des Beitrags. Ausserdem hält sie fest, dass die NZZ eine Richtigstellung der Fakten mehrfach ablehnte. Den Brief unterzeichnen 25 sowohl aktive als auch emeritierte Professor*innen und zehn Mitarbeitende der ETH Zürich. Henni wendet sich im Juni an die Ombudsperson an Trübys Universität und bittet um eine Untersuchung wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens ihres Mitarbeiters.

06.06.24 – Die NZZ veröffentlicht unter Trübys Beitrag eine Klarstellung, in der behauptet wird, dass die Darstellung Hennis als Vertreterin antisemitischer Positionen wie der Absprache des Existenzrechts von Israel nicht intendiert gewesen sei. Der Artikel bleibt nach wie vor öffentlich. Darüber zeigt sich Trüby gegenüber «The Architect’s Newspaper» erfreut: Seine Kritik sei rechtlich unanfechtbar, da sie korrekt sei, und werde «nur durch ein Sternchen-Nachwort» ergänzt. Im Juli 2024 lehnt die Ombudsperson von Trübys Universität Hennis Antrag ab. Infolgedessen reicht Henni eine Strafanzeige sowie eine Zivilklage ein. Die Klage dient laut Henni dazu, die Wissenschaftsfreiheit zu verteidigen, Falschinformationen und Verleumdungen anzuprangern sowie ihre Bürgerrechte und ihre persönliche Sicherheit zu schützen. Solle sie den Rechtsstreit gewinnen, werden alle Spenden unter 1000 Franken an das Netzwerk «Scholars at Risk», das sich für Wissenschaftsfreiheit und den Schutz von Wissenschaftler*innen einsetzt, gespendet. Höhere Beiträge könnten zurückerstattet werden.

Die Sitzstreiks und ihre Folgen

07., 14., und 31.05.24 – Jeweils am späten Vormittag versammeln sich studentische und nicht-studentische Demonstrierende in Zürich in den Eingangsbereichen zweier Hochschulen: am 14. Mai im Lichthof der Universität, am 7. und 31. des gleichen Monats in der Haupthalle der ETH Zürich. Zwischen sechzig und hundert Personen nehmen jeweils an den unbewilligten Sitzprotesten teil – so bestätigen es die Medienstellen der Hochschulen und die Zürcher Staatsanwaltschaft.

Die Teilnehmenden führen Sit-ins durch, um öffentlich ihr Entsetzen über den Völkermord im Gazastreifen und im Westjordanland auszudrücken, Diskussionen anzustossen und Forderungen an die Hochschulen zu stellen. Besonders die Technologietransfers der ETH, so die Studierenden, würden zur Kriegsführung beitragen. Sie fordern: «No tech for genocide.»

Die ETH Zürich ruft an beiden Sit-ins die Polizei, die Demonstrierende rausträgt und reicht anschliessend 40 Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch und Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration ein. Die beiden Aktionen hätten den Lehrbetrieb gestört. Studierende berichten, dass erst mit dem Eintreffen der Polizei Durchgänge versperrt werden. Die Uni-Leitung teilt den Demonstrierenden zu Beginn der Aktion am 14. Mai mit: Der Protest werde bis 17 Uhr geduldet, wenn er friedlich bleibe und den Betrieb nicht störe. Laut einer Vertreterin von Students for Palestine (SfP) verspreche die Uni dafür, Studierenden noch am selben Tag ein Gespräch mit der Uni-Leitung.

Die Demonstrierenden warten vergeblich. Als die Polizei den Lichthof räumen will, erinnern die Protestierenden die Universitätsleitung an den zuvor versprochenen Dialog. Diese erklärt sich schliesslich bedingt dazu bereit: Drei Vertreter*innen von SfP sollen hinter verschlossenen Türen zu einem Gespräch empfangen werden. Eine SfP-Vertreterin sagt: «Unter solchen Bedingungen handelt es sich beim Austausch bloss um einen formalen Akt, der lediglich den Anschein von Mitbestimmung erweckt.» Sie fordern daher eine Liveübertragung oder Aufzeichnung des Gesprächs, doch die Uni lehnt ab. Daraufhin verlassen die Protestierenden den Lichthof friedlich.

Frustriert über den ausbleibenden Dialog mit dem Rektorat verkündet SfP eine weitere Kundgebung an der Uni. Um diese zu verhindern, führt die Stadtpolizei Zürich ab Mittag «präventive Zugangskontrollen» am Hauptgebäude der Universität durch. Alle, die das Gebäude betreten wollen, müssen sich ausweisen und ihre Taschen öffnen. Personen mit Kufiya werden abgewiesen oder müssen diese abgeben, wie Betroffene berichten. Der VSUZH kritisiert das Vorgehen scharf: «Das Mitführen von persönlichen Gegenständen wie Kufiyas wurde als Vorwand genutzt, um Studierende ohne rechtliche Grundlage von der Universität fernzuhalten», teilen die Co-Präsidenten des VSUZH, Sébastian Margot und Dominic Tobler in einer Medienmitteilung mit. Die Universitätsleitung betont, dass sie über das Vorgehen der Polizei nicht informiert gewesen sei und der Einsatz weder angefordert noch mit ihr koordiniert wurde. Gegen 16 Uhr versammeln sich rund fünfzig Demonstrierende, unter ihnen auch Professor*innen, vor der Universität, umgeben von Polizeiabsperrungen, Wasserwerfern und Beamt*innen mit Gummischrotwaffen. Die Polizei löst die unbewilligte Kundgebung auf, setzt Pfefferspray ein und gibt einen Schuss Gummischrot ab. Mehrere Personen werden kurzzeitig festgenommen oder weggewiesen.

17.05.24 – Der VSUZH fordert in einem Antrag, dass die Universität Zürich ihre Kooperationen mit drei israelischen Hochschulen beendet, die Teil des israelischen Militärapparates sind oder diesen unterstützen: die Hebrew University in Jerusalem, die Universität Haifa und die Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv. Laut Aussagen des VSUZH stellt sich dieser Moment später als Kipppunkt in seiner Zusammenarbeit und Kommunikation mit der Uni heraus.

Anders positionieren sich der Verband der Studierenden an der ETH (VSETH) sowie der Dachverband der Schweizer Studierendenschaften (VSS). Sie distanzieren sich von den Pro-Palästina-Protesten und Boykottforderungen. Laut VSS seien Proteste an Hochschulen zwar ein legitimes Mittel der Meinungsäusserung, doch hätten die aktuellen Bewegungen mit «diskriminierenden Forderungen und Aufrufen zu Gewalt» ihre Legitimation verloren. Co-Präsident Gazmendi Noli bezeichnet den Antrag des VSUZH als pauschalen Boykott und fordert eine differenziertere Betrachtung: Die israelischen Universitäten seien vielfältiger als ihre militärischen Forschungsprogramme und Kooperationen in zivilen Bereichen seien weiterhin zu begrüssen.

30.05.24 – In einem Interview mit «UZH Kommunikation» spricht Rektor Michael Schaepman über das aktuelle Klima an der Uni Zürich. Die Uni präsentiert er als Ort der Wissensvermittlung, die etwa «zur Klärung von völkerrechtlichen Fragen beitragen» könne. Zur «diplomatischen Lösung des Konflikts» beizutragen, läge jedoch nicht im Aufgabenbereich der Uni.
Zum Polizeieinsatz sagt Schaepman: «Die Polizei kann über Informationen verfügen, die es rechtfertigen, für öffentliche Sicherheit zu sorgen. Ich gehe davon aus, dass die Polizei nach ihrem Kenntnisstand mit guten Gründen gehandelt hat. Wir sind mit der Polizei im Dialog zu den Vorkommnissen.» Auch die Sicherheit jüdischer Studierender wird thematisiert. Ihre Sorgen seien nachvollziehbar. Die Uni dulde weder physische und verbale Gewalt unter Studierenden und Mitarbeitenden noch Rassismus, Antisemitismus oder Vorverurteilung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion: «Als Rektor ist es meine Pflicht, zu gewährleisten, dass alle Mitarbeitenden und Studierenden sich an der UZH sicher fühlen und ihre Meinung frei und ohne Angst äussern können. Aber auch die Mitwirkung aller Angehörigen der UZH ist notwendig», so Schaepmann.

5.12.24 – Der VSUZH beschliesst, die Mitgliedschaft im VSS vorübergehend zu beenden. Grund dafür seien unter anderem strukturelle Probleme und Kommunikationsmängel rund um Pro-Palästina-Proteste. Der VSUZH kritisiert unter anderem «ungeahndete Verstösse gegen Reglemente», etwa bei öffentlichen Stellungnahmen, die ohne Abstimmung mit den Sektionen getroffen wurden. Dies habe «das Vertrauen in den Verband erheblich geschädigt».

19.02.24 – Der VSUZH entscheidet mit deutlichem Mehr die bisherigen Verfahrenskosten für die Sitzproteste von neun angeklagten Studierenden der Uni Zürich im Wert von 7200 Franken zu übernehmen. Dazu werden fünf Studierende, die gegen ihren Strafbefehl in Berufung gehen wollen, bei dieser «strategischen Prozessführung» mit je 1000 Franken unterstützt. Sébastian Margot, Co-Präsident des VSUZH, erklärt, der Verband sehe sich in der Verantwortung, sich für die betroffenen Studierenden einzusetzen: «Meinungsfreiheit und das Recht auf politische Partizipation sind zentrale demokratische Grundrechte, die auch an Hochschulen gewährleistet sein müssen.»

11.04.25 – Gegen den Beschluss zur Übernahme der Verfahrenskosten durch den VSUZH wird von Liya Bruman, Studentin in Fribourg, Einsprache erhoben. Sie fordert, dass der Beschluss auf Statutenkonformität überprüft wird und hinterfragt, ob sich die Antragstellerin, die zwischenzeitlich von ihrem Amt als Co- Präsidentin des VSUZH zurücktrat, ungerechtfertigt bereichert habe.

20.06.25 – An einer Sitzung der Einsprachekomission (ESK) wird die Einsprache geprüft. Dabei wird festgestellt, dass die Antragsstellerin in keinem Interessenkonflikt stand, da sie zum Zeitpunkt des Antrags nicht mehr als Co-Präsidentin tätig war. Hinsichtlich der Statuten stellt die ESK jedoch fest, dass der Antrag im Widerspruch mit den Statuten steht: Die Vertretung von Studierenden gegenüber der ETH sei nicht Aufgabe des VSUZH. Weiter heisst es, dass der VSUZH mit dem VSETH Zusammenarbeit hätte suchen müssen. Wie die Antragsstellerin jedoch berichtet, hätte der finanzkräftige VSETH, der die Sitzproteste öffentlich verurteilt, kein Interesse an einer Zusammenarbeit gehabt.

28.07.25 – Die ESK beschliesst, dass der Entscheid vom 19. Februar 2025 nicht statutenkonform ist und aufzuheben sei. Sechs Tage später wird der Beschluss dem VSUZH mitgeteilt. Nun startet die einmonatige Frist, den Entscheid anzufechten.

26.08.25 – Ein grosses Polizeiaufgebot versammelt sich zum Prozessauftakt vor dem Bezirksgericht Zürich. Ein solches Dispositiv kenne Zürcher Anwalt Marcel Bosonnet, der gemeinsam mit Philip Stolkin die Studierenden verteidigt, nur aus Terroristenverfahren, teilt er der Republik mit. 17 der 40 angeklagten Studierenden fechten die Strafbefehle der ETH an. Vier davon stehen an diesem Tag, drei am 17. September und der Rest an noch offenen Daten vor Gericht. Die beiden Rechtsanwälte kritisieren scharf, dass das Bezirksgericht Zürich die Verfahren gegen die Studierenden getrennt führt. Obwohl es sich um ein und dasselbe Ereignis handle, seien mehrere Einzelrichter*innen für verschiedene Prozesse zuständig.

Die Verteidiger warnen, diese Aufsplittung berge die Gefahr widersprüchlicher Urteile. Grundsätzlich zeigen Bosonnet und Stolkin kein Verständnis dafür, dass überhaupt strafrechtlich gegen die Demonstrierenden vorgegangen wird. Friedliche Proteste hätten nichts im Strafrecht verloren, argumentieren sie. Besonders dann nicht, wenn junge Menschen auf einen möglichen Genozid und auf die Verstrickungen ihrer Hochschule aufmerksam machten. «Die Staatsanwaltschaft hätte von einer Strafverfolgung absehen können und müssen, weil kein öffentliches Interesse an einer Bestrafung besteht», sagt Stolkin gegenüber der Republik.

01.09.25 – Die Antragsstellerin und die kriPo fechten den Entscheid der ESK an. Der Antrag vom 19. Februar vertrete sehr wohl die Interessen der Studierenden der Uni Zürich gegenüber der Öffentlichkeit. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Studierenden sei ein öffentliches Anliegen, insbesondere in Bezug auf die schweizweiten Studierendenproteste 2024. Dazu wird betont, dass die ETH und die Uni Zürich eng miteinander verbunden seien – in Forschung, Infrastruktur und studentischen Organisationen – und daher das Recht der Uni-Studierenden auf freie Meinungsäusserung auch an der ETH zu schützen sei.

28.10.25 – Das Bezirksgericht Zürich spricht in zwei Verfahren die sieben einvernommenen Angeklagten teilweise frei. Im ersten Verfahren erhalten zwei von drei Beschuldigten bedingte Geldstrafen von 20 Tagessätzen à 30 Franken wegen Hausfriedensbruchs, bei einer Probezeit von zwei Jahren. Vom Vorwurf der Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration werden alle freigesprochen, da die entsprechende städtische Polizeiverordnung auf dem ETH-Gelände als Bundesinstitution nicht anwendbar ist.

Im zweiten Verfahren werden drei von vier Angeklagten ebenfalls wegen Hausfriedensbruchs schuldig gesprochen. Sie erhalten bedingte Geldstrafen von 30 Tagessätzen zu 30 bzw. 60 Franken, ebenfalls mit einer Probezeit von zwei Jahren. Beim vierten Beschuldigten wird das Verfahren eingestellt. Das Gericht betont, die ETH habe ihr Hausrecht konsequent durchgesetzt, und die Angeklagten hätten den Aufforderungen, das Gebäude zu verlassen, Folge leisten müssen.
Sie weist daraufhin, dass es legale Wege gegeben hätte, auf die Lage in Gaza aufmerksam zu machen. Als Beispiel dafür nannte sie, laut einem Angeklagten, Protest in den sozialen Medien. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Bosonnet und Stolkin kündigen unmittelbar nach der Urteilsverkündung Berufung an. Die Genozidkonvention führe zu einer unmittelbaren Verpflichtung der Staaten, Massnahmen zur Verhütung von Völkermord zu ergreifen, auch wenn der Staat nicht aktiv am Genozid beteiligt sei, so Bosonnet gegenüber der Republik. Die Genozidkonvention stünde laut den Anwälten rechtlich gesehen über der Hausordnung der ETH.

Zur Ausstellung «Palästina – Zwischen Geschichte und Aktualität»

27.11.23 – Die Muslim Student Association Zurich (MSAZ) stellt in Absprache mit dem Verband der Studierenden der Universität Zürich (VSUZH) beim Rektorat der Uni Zürich einen Antrag für eine Ausstellung zur Geschichte Palästinas, wie sie vom 4. bis 16. Dezember 2023 an der Universität Genf bereits stattfand. Organisiert wird sie in Zusammenarbeit mit der Association des Étudiant.e.x.s Turco-Genevois.e.x.s, der Association du monde arabe und der Association musulmane des étudiant-es. Sie stellen der MSAZ ihre Materialien zur Verfügung, die für die Veranstaltung in Zürich übersetzt und überarbeitet werden. Als Grundlage der Ausstellung dienen Geschichtsbücher zur Thematik, die wissenschaftlich zitiert werden. Die Durchführung ist für den 22. bis 28. März geplant.

12.03.24 – Die Vorbereitungen für die Posterausstellung «Palästina – Zwischen Geschichte und Aktualität» sind im Gange. Die für Veranstaltungen im Lichthof geltenden Brandschutzvorgaben werden in Absprache mit der Uni umgesetzt. Ansonsten kommuniziert die Uni keinerlei potenzielle Problemstellen. Kurz darauf verschiebt der Rektoratsdienst die Ausstellung um drei Tage: Die Inhalte müssten geprüft werden.

18.03.24. – Nach einem Austausch mit dem Rektorat in Genf zieht die Uni Zürich die Bewilligung für die Ausstellung zurück. Gemäss Aussagen der Organisator*innen begründet die Uni die zurückgezogene Bewilligung damit, dass bereits der Verein Shoqata Studenti sowie die Ukrainian Association of Students and Academics in Zurich (UASAZ) ähnliche Anfragen gestellt hätten und ebenfalls noch keine Zusage erhielten. Man habe aber vor, die Ausstellungen gemeinsam durchzuführen. Zudem fordert die Uni eine kommunikative Begleitung als eine Art Patronat. Das heisst, die Inhalte müssen durch eine Professor*in betreut werden.

25.03.24 – Eine Woche später lädt das Rektorat die Organisator*innen der Austellung zum Gespräch ein, um über die Patronatspflicht zu sprechen. Zudem schlägt das Rektorat vor, die Veranstaltung ins Herbstsemester 2024 zu verschieben, um sie gemeinsam mit den anderen Ausstellungen zu aktuellen Kriegs- und Konfliktgebieten zu präsentieren.

06.04.24 – Die MSAZ erhält den Entscheid, dass die Ausstellungsreihe zusammen mit dem UASAZ und den Shoqata Studenti ins Herbstsemester 2024 verschoben wird.

17.04.24 – Rektor Schaepmann nimmt an einer Ratssitzung des VSUZH teil, um über den Israel-Palästina-Konflikt zu sprechen. Dabei wird auch über die verschobene Ausstellung gesprochen: Gemäss Aussagen der PSA habe der Rektor diese genehmigt, was als Zustimmung der Uni gesehen werde.

28.05.24 – Am selben Tag erhält die MSAZ für das Patronat ihrer Ausstellung zwei Expert*innen zugeteilt: Hans Lukas Kieser, Professor für Geschichte der Neuzeit, insbesondere der osmanischen und postosmanischen Welt, und Dina Pomeranz, jüdische Professorin für Mikroökonomik. Gemäss Organisator*innen der Palästina-Ausstellung benötigen die Shoqata Studenti und die UASAZ für ihren Beitrag zur Ausstellungsreihe im Gegensatz dazu nur eine Patronatsinhaber*in und können selbst entscheiden, wer ihre Inhalte als Expert*in beaufsichtigt. Die Ablehnung einer von der MSAZ vorgeschlagenen Expert*in begründet das Rektorat damit, dass diese keinen Lehrstuhl innehabe und somit nicht patronatsberechtigt sei. Dass dieses Kriterium auch nicht auf Kieser zutrifft, scheint jedoch kein Problem zu sein.
Auf Nachfrage der ZS schreibt die Medienstelle der Uni heute dazu: «Es handelte sich damals um eine wissenschaftliche Begleitung und nicht um ein Patronat im Sinne der Patronatsregelung der UZH für Veranstaltungen ausserhalb der Lehre.» Diese Stellungnahme widerspricht der bisherigen Argumentation der Universität.

16.07.24 – In einer Besprechung zur Ausstellungsreihe im kommenden Semester werden der Durchführungszeitpunkt, die Materialien, die Kompetenzen der Expert*innen sowie der Titel und allfällige partizipative Ansätze beschlossen. Gemäss den Organisator*innen sollen die Expert*innen der Universität eine unterstützende, beratende Rolle einnehmen und die Studierenden die Verantwortung über die Ausstellungsinhalte übernehmen.

20.07.24 – Die Ausstellungsinhalte werden an die Expert*innen kommuniziert. Die Rückmeldung zu den Inhalten erhalten die MSAZ und die PSA neun Tage später. Bis im September bleiben die Studierendenvereine in andauerndem Austausch mit den Expert*innen.

13.08.24 – In einem Gespräch mit dem Rektoratsdienst über die Ausstellung sowie weitere Veranstaltungen zum Israel-Palästina-Konflikt äussert die Uni Bedenken über die Form der Ausstellung und deutet an, dass die geplante Podiumsdiskussion dazu wahrscheinlich nicht stattfinden wird. Am nächsten Tag erhalten die MSAZ und PSA jedoch die definitive Raumbestätigung im Lichthof der Uni Zürich für die Ausstellung vom 14. bis zum 18. Oktober 2024.

04.09.24 – Die Ausstellungsreihe wird wegen Bedenken von Seiten der Uni nun doch abgesagt. Stattdessen ist neu vom Konzept «Dialograum UZH» die Rede. Die Ausstellungen sollen neu getrennt voneinander durchgeführt und von einem «Disclaimer» der Uni begleitet werden. Das Konzept wird sechs Tage später publiziert.

23.09.24 –Der Rektoratsdienst kommuniziert der MSAZ und der PSA erneut vermehrte Bedenken zur Ausstellung aufgrund verschiedener Rückmeldungen aus universitätsinternen Kreisen. Genauere Erklärungen werden den Studierenden keine genannt.

01.10.24 – Nach einem erneuten Gespräch zwischen den Studierendenorganisationen und dem Rektoratsdienst werden die Expert*innen beauftragt, die Ausstellungsinhalte bis zum 6. Oktober nochmals zu überprüfen. In Absprache mit der Uni wird eine weitere, von den Studierenden ausgewählte Fachexpert*in für zusätzlichen Input miteinbezogen. Nach der vermehrtern Überarbeitung wird die finale Version dem Rektorat am kommunizierten Abgabedatum übergeben. Laut Aussagen der PSA befindet die zusätzliche universitäre Fachexpert*in, die anonym bleiben möchte, die Ausstellungsinhalte für gut.

09.10.24 – Weniger als eine Woche vor der geplanten Posterausstellung «Palestine – Between History and Current Events» der MSAZ und der PSA wird diese von der Uni-Leitung nun endgültig abgesagt. Laut Aussagen der PSA wird dies damit begründet, dass die neu gegründete «Taskforce Nahostkonflikt» die Inhalte «aufgrund der verspäteten Abgabe» nicht rechtzeitig überprüfen hätte können. Gemäss Aussagen der PSA habe die Abgabe zwar auch beim Verein Shoqata Studenti verspätet erfolgt, dank ihrer motivierten Patronatsprofessor*innen konnte ihre Ausstellung jedoch trotzdem umgesetzt werden. Über das weitere Vorgehen würde in der kommenden Woche beraten und dann wieder Kontakt mit den Studierendenvereinen aufgenommen werden.

Auf Nachfrage des VSUZH, wer in der Taskforce sitze, antwortet die Uni, dies zum Schutz dieser Personen nicht offenlegen zu wollen. Laut einer Stellungnahme auf Anfrage der ZS setzt sich «die von der Universitätsleitung eingesetzte Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Abteilungen Sicherheit und Umwelt, Kommunikation und Rektoratsdienst» zusammen. Diese beschäftigte sich mit dem «Mehraufwand», der durch geopolitische Konflikte entstanden sei. Zur Absage der Ausstellung schreibt die Medienstelle heute, «dass deren Inhalte nicht mit den Werten und Prinzipien der UZH für einen wissenschaftlichen Dialog sowie einer ausgewogenen Darstellung im Einklang stehen. Für die UZH ist ein faktenbasierter, ausgewogener und konstruktiver Austausch zentral. Das vorliegende Konzept enthielt jedoch eine einseitige, konfrontativ angelegte Darstellung, die zu einer weiteren Polarisierung hätte führen können.»

14.10.24 – Die MSAZ und die PSA stellen Teile der Ausstellung auf Pappkartons im Lichthof trotz Absage aus. Diese werden laut PSA kurz darauf von Sicherheitsangestellten der Uni entfernt und konfisziert. Die Materialien könnten erst gegen Unterschrift beim Rektoratsdienst wieder zurückverlangt werden

22.10.24 – In einem offenen Brief an die Unileitung, den Unirat und Rektor Schaepman bringt der VSUZH seine «Enttäuschung über die kurzfristige Absage dieser Ausstellung» zum Ausdruck. Der Studierendenverband kritisiert die intransparente Entscheidungsfindung der Uni sowie die fehlende Einbindung der Studierendenperspektive. Besonders enttäuschend sei, dass «kein konkreter Zeitplan für eine Verschiebung genannt wurde.»

06.11.24 – Nach Absage der Palästina-Ausstellung soll diese auf Anfrage der PSA hin an der Veranstaltung «Lange Nacht der Kritik» (LNDK) der Fraktion kritische Politik (kriPo) vom 7. November durchgeführt werden. Als die Uni davon Wind kriegt, kontaktiert sie die kriPo am Vortag des Events: Da die Ausstellungssinhalte, wie sie der Uni-Leitung präsentiert wurden, nicht mit den Werten und Prinzipien der Uni zum wissenschaftlichen Dialog vereinbar seien, könne die Uni keine Raumbestätigung dafür erteilen.

Die kriPo kommuniziert ihre Enttäuschung und ihr Unverständnis über das Vorgehen der Uni: «Die Universität muss ein Raum bleiben, in dem auch unliebsame Themen behandelt werden dürfen. Dieses repressive Vorgehen durch die Uni- versität verurteilen wir.» Die Frage, welche Inhalte der Ausstellung konkret gegen diese Richtlinien verstossen würden, hat die Uni der Fraktion bis jetzt nicht beantwortet.

07.11.25 – Auf Anfrage der ZS schreibt die Medienstelle: «Die UZH schätzt und anerkennt das politische Engagement der Studierenden und unterstützt dies regelmässig. Zudem möchte sie Raum für einen ausgewogenen, konstruktiven Diskurs schaffen, der auch kontrovers sein darf. Sie hat deshalb Studierende und Mitarbeitende per E-Mail dazu aufgerufen, Veranstaltungen zu diesem Thema zu initiieren, um ihre Sicht auf den Nahostkonflikt einzubringen – im Sinne einer offenen und differenzierten Debatte auf der Grundlage gegenseitigen Respekts. Mit der Plattform «Dialograum UZH» bietet die UZH seit 2024 den infrastrukturellen Rahmen für aktuelle Themen und gesellschaftliche Diskussionen und fördert den Diskurs zwischen UZH-Angehörigen und der Öffentlichkeit – sowohl zum Nahostkonflikt wie auch zu weiteren Themen.»