Was lauft hüt?

In einem Streifzug durch die Nacht trifft die ZS auf verschiedene Gesichter. Sie erzählen vom Durchtanzen und vom besten Katerfrühstück.

Giorgio Dridi (Text) und Lucie Reisinger (Fotos)
1. April 2024
Janik

«Discoschorle»

«Meistens fängt mein Ausgang mit einem Znacht bei jemandem zu Hause an, dann geht es weiter, zum Beispiel in die Rote Fabrik. Das erste Getränk vom Abend ist Wasser mit Blötterli. Wenn du das hattest, wagst du dich an den Zitronensaft. Wenn der überwunden ist, dann, çüüüüş, kickt der Vodka Lemon. XTRA ist easy nice. Gibt es ‹Tierisch Partys› noch? Das waren die 16er Partys früher. Hund ist auch nice. Umbo ist noch ein Place to be. Sender macht diesen Monat zu – der Ender. Was mir der Ausgang bedeutet? Die guten Momente um 6 Uhr morgens. Wenn man einfach redet, zusammenkommt und connected. Wir hatten schon 6, oder? Mein Go-To-Drink ist die Discoschorle. Hattet ihr schon? Es gibt viele Bartenders, die das nicht mal kennen. Viele denken, es sei Prosecco mit Vodka. Nein, das nennt sich ‹Porsche›. Das ist krass – exklusiv eben. Wir reden von Prosecco und Mate. Der Sound darf schon sehr breaky sein. Ich höre auch gerne HipHop. Jetzt ist es schon spät. Meistens habe ich aber gar keinen Bock länger wach zu bleiben, weil mir Schlaf wichtig ist. Wie ich Ausgang und Schlaf zusammenbringe? Gar nicht. Etwas wird immer vernachlässigt. Mein Budget? Ich gönn mir schon immer ‘ne Lounge mit Mindestkonsum 1500 Franken. Welcome to my Club. Und in the Real World? Glaubst du das etwa nicht? Ok, back to Reality: max. 40 Franken.»

Josefine

«30 Konzerte in einem Jahr»

«Es ist lustig, dass ihr mich fragt, weil ich überhaupt nicht gerne in den Ausgang gehe, wirklich gar nicht. Ich bin nicht sehr extrovertiert und trinke keinen Alkohol. Lieber gehe ich etwas essen und dann an ein Konzert. Das Ausgangs-Setting spricht mich als Frau nicht immer an – ich habe keinen Bock, irgendwo angequatscht zu werden. An einem Konzert kannst du machen, was du willst: in der ersten Reihe abgehen oder ganz hinten chillen. Häufig gehen Menschen in den Ausgang mit dem Ziel, jemanden kennenzulernen. Beim Konzert hingegen liegt der gemeinsame Fokus vorne auf der Band. Trotzdem gibt es auch dort manchmal Männer, die zu viel Raum einnehmen. Im Jahr 2022 hatte ich meinen persönlichen Rekord mit 30 Konzerten in einem Jahr. Am meisten bin ich im Bogen F. Um halb 1 gehe ich dann meistens wieder nach Hause. Kater frühstück brauche ich nicht.»

Nicolas

«Donnerstag, Lieblingsnacht»

«Am Morgen davor weiss ich meist noch nicht, ob ich in den Ausgang will. Ich habe lässige Freunde, mit denen man spontan raus kann. Ab und zu gehe ich allein in den Ausgang. Das ist ein rechter Sprung aus der Komfortzone. Entweder kann man Leute kennenlernen oder man trifft auf Bekannte. Das ist das Urvertrauen. Dafür muss man auch in Laune sein. Donnerstag ist meine Lieblingsnacht. Es gibt dir das Gefühl, voll im Studileben zu sein und vieles ist kostenlos. Man kann natürlich auch büetzen am nächsten Tag, aber es ist schon ein Privileg, ausschlafen zu können und die Friends verkatert in der Uni zu treffen. Es ist auch nicht ganz so überfüllt. Vor allem hier an der Langstrasse ist die Atmosphäre eine andere. Bevor ich rausgehe, gibt’s kein Parfüm, vielleicht ein bisschen Deo, Hugo Boss. Das habe ich immer von meinem Vater geharzt und nun endlich zu Weihnachten bekommen. Am liebsten gehe ich in die Bar3000 bei der Langstrasse. Da ist ein guter Vibe und es läuft Dancehall und Afrobeats. Ein Plus ist, dass man drinnen rauchen kann, aber auch ein Pain, weil man danach seine Kleider auslüften muss. Die kommen dann auf den Balkon, doch davor wird das Wetter gecheckt – wenn man noch fit genug ist. Das bin ich meistens, weil ich mir nicht voll die Kante gebe. Und wenn die Energie reicht vor dem Schlafen gibt’s noch ein Sandwich aus unserem Toastmaker: Gruyère, Moutarde de Dijon und Pfeffer. Ausgang kann eine Flucht aus dem Alltag oder vor den eigenen Problemen sein. Einfach mal alles vergessen. Das finde ich auch voll okay, aber ich persönlich mache das nicht, indem ich mich voll abschiesse, sondern den Sound und die Leute um mich herum fühle. Sehr schön ist es, wenn jemand kommt und meint: ‹Geile Siech, fühlsch es voll!›. Macht das mehr, wenn ihr eine Person seht, die vibed.»

Kap

«Ausgang ist momentan die Arbeit»

«Im Moment arbeite ich jeden Tag in der Bar. Also gibt es für mich, nur late Night, oder eher early Morning Ausgang. Bis um 7 Uhr morgens gebe ich Getränke raus, dann wird zwei Stunden geputzt und noch eine Stunde getrunken, dann geht es gemeinsam an eine Afterparty. Da kann es auch erst um 11 Uhr vormittags losgehen. Das sind alles Underground-Sachen - besetzte Räume und Keller. Am Wochen ende arbeite ich meistens zwei Schichten: die erste von 12 bis 21 Uhr im Frame an der Kino-Bar. Dort gibt es schon ein, zwei Negröneli. Danach gibt es einen Zwischenstopp hier in der Marsbar zum Vorglühen. Um 1:00 Uhr fängt dann meistens meine zweite Schicht in der Zuki an. Mein Ausgang ist momentan die Arbeit. Die zähen Tage sind Donnerstag bis Sonntag. Die Leute in der Marsbar sind angenehm. Im Verlauf der Jahre, in denen ich mich hier eingenistet habe, stiess ich auf Gleichgesinnte. Mit den Stammgästen hier, oder wie wir witzeln ‹dem Inventar› führt man immer gute Gespräche über Existenz, Lebensentscheidungen und Standortbestimmung. Es treffen die verschiedensten Leute aufeinander: Heute waren es Studierende, Lehrpersonen, Kulturschaffende, wie etwa Regisseur*innen, Kunstkuratoren, und Fotografen. Dieser Mix gefällt mir. Hier wird es je nach Pegel schon eher intellektuell und tiefgründig. Heute wurde ein paarmal Marx zitiert. Ich habe noch nie mit den Leuten hier abgemacht, man trifft sich einfach. Für mich ist Ausgang einfach zum Runterfahren. ‹Ausgang› finde ich ein lustiges Wort. Die Deutschen assoziieren immer den Gefängnisausgang damit… gar nicht so un passend. Ich flüchte nicht vor der Realität - ich lenke mich nur ab. Meine Probleme nehme ich überall mit. Der Ausgang hilft mir für kurze Zeit. Wie beim Drogenrausch kommt man aber immer wieder zurück.Wenn’s geht, endet die Nacht im Imbiss oder Migrolino. Wenn nicht, kommen meine asiatischen Gene durch und ich koche einen Topf Reis auf mit einer asiatischen Omelette: Fischsauce, Sojasauce und mit viel Öl aufgegossen, dass es schwammig in der Pfanne wird.»

Leonard

«Katerfrühstück: Essiggurken»

«Zum Presipping bei Friends zuhause gehört eigentlich nur Bier. Vor dem Club ist ein Schritt in die Bar schon noch krass: Marsbar, Totalbar oder neu SCHIWAGO, bitte grossschreiben! Danach zieht es mich ins Mikro, in die Zentralwäscherei, ins Umbo oder in den Sender. Wo hin entscheiden wir mit dem ‹Dänsfräns-Chat›, mega wichtig! 1024 Leute sind dort drinnen. Zuerst wird auf SoundCloud reingehört oder man kennt die auflegende Person. Eigentlich würde ich auch gerne mal wieder an einen Ort, an dem ich niemanden kenne, aber das ist schwierig in Zürich. Irgendwie ist mir Ausgang schon wichtig, ein Flüchten aus dem Alltag. In Welten abtauchen, die du sonst nicht so hast: Es ist anonym und gleichzeitig ist man Teil von etwas. Meistens höre ich elektronisch, doch ich würde gerne öfters in den Reggaeton- und Afrobeats-Ausgang, mehr ‹Hips don’t lie!›. Go to Drink ist Bier oder Discoschorle. Ausdauer? Come late go late: um 1 kommen, 5:20 gehen. Budget ist 36 Franken. Was mich stresst, sind Leute, die immer rumschauen. Wenn man das Gefühl hat, es sei wichtig, gesehen zu werden und andere zu sehen. Katerfrühstück: Essiggurke und Salzstängeli.»

Priszilla

«Fast wie eine Utopie»

«Es gibt zwei Anfangs-Szenarien: Entweder Friends treffen, zu abendessen und etwas trinken oder einfach alleine losziehen. Letzteres häufiger, denn Ausgang wurde für mich zum intensiven Hobby und Ausdauertraining. Man sieht mit der Zeit immer mehr bekannte Gesichter. Trotzdem gehe ich nur dorthin, wo ich mich als weiblich Gelesene wohlfühle. Ich würde nie allein ins Hive gehen. Eher in die Rote Fabrik, Zentralwäscherei, Sender und weitere alternative Orte. Zum Aufwärmen schaue ich Youtube-Trash-Videos wie «Bachelorette» oder «Love Island», meine Guilty Pleasures. Nebenbei entscheide ich, wie ich mich anziehe. Wie will ich mich fühlen beim Tanzen? Baggy Hosen oder flatternder Rock? Unauffällig oder bunt? Oder doch wieder mal All-in-white als Kontrast zu allen All-in-black People? Ausgang bedeutet für mich Gemeinschaft: dort habe ich meine coolsten Leute, all meine Friends und auch meinen Partner kennengelernt. Ich bin auch viel fitter, seit ich in den Ausgang gehe. Andere gehen joggen, ich gehe tanzen. Es ist ein Space, in dem alles Platz hat. Fast wie eine Utopie in einer Welt, in der so viel den Bach runtergeht. Drogen nehme ich weniger im Ausgang, wenn dann lieber bewusst mit Friends, um Beziehungen zu vertiefen oder coole Visuals zu haben. Mit Mate komme ich eine ganze Nacht durch, am liebsten ohne Kohlensäure. Es ist nicht schwindende Energie, die meinen Ausgang beendet, sondern die Vernunft um 9 Uhr morgens. Dabei muss ich er wähnen, dass ich sehr privilegiert bin. Ich habe einen 50 Prozent Job und kann mir diesen Lifestyle leisten, viele können das nicht. So lange das geht und es mir guttut, mache ich es. Dadurch, dass ich nichts trinke oder Organisator*innen kenne, gebe ich recht wenig aus. Manchmal verdiene ich im Ausgang sogar etwas, wenn ich mitarbeite, und noch ein bisschen mehr, wenn ich auflege. Es ist toll, auf der anderen Seite zu stehen und alle anzuheizen. Wenn man mal mitgeholfen hat, schätzt man die Partys viel mehr.»