Erfolg gegen's Älterwerden?

Kolumne

29. September 2023

Kolumne Ich habe drei Zukunftsängste: Erstens dass ich keinen Job finde, in zwanzig Jahren noch dieselben zerrissenen Röhrlijeans trage, und mich in rührseligen Texten nach der Zeit zurücksehne, als ich in enganliegenden Hosen sexy aussah. Zweitens dass ich einen Job finde, schicke Bügelhosen trage und die rührseligen Artikel veröffentliche (vielleicht zum 125. ZS-Jubiläum?) Und drittens, dass der Planet sehr ungemütlich wird und milliardenschwere Trolls das Internet kontrollieren – aber das ist mehr eine Gewissheit als eine Angst und be­trifft 8 Milliarden Menschen statt mich persönlich, weshalb ich viel seltener drüber nachdenke.

Statt­dessen verbringe ich meine Zeit damit, auf Linked-In und Wi­kipedia auszurechnen, wie alt eine Journalistin/Philosophin/Yael Meier war, als sie das erste Buch veröffentlichte und von einem «Lebenspartner» sprach. Dabei weiss ich nicht, ob ich neidisch oder abgeschreckt sein soll. Manchmal will ich ein Buch schreiben, meistens will ich ein Buch geschrieben haben und nie, wirklich nie, will ich mein Buch auf Instagram promoten, damit mehr als zwei Leute (meine Eltern) es lesen.

Viel lieber führe ich das Leben, dass die NZZ bei Geisteswissenschaftler*innen vermutet: Den überteuerten Cappuccino nahtlos durch einen Aperol Spritz austau­schen, während ich über BWLer*innen lache, die sich an der Börse für mich den Arsch aufreissen. Aber ich gebe mich auch mit kaltem Bialetti-Kaffee und lauwarmem Bier zufrieden, solange ich ausschlafen und Vorlesungen über lateinische Schundliteratur besuchen darf.

Dass das nicht für immer geht, sehe ich schon ein, Selbstverantwortung und so. Dennoch scheint es absurd, wie viel Mühe ich mir gebe, um mein absolutes Traum­leben als Studentin so früh wie möglich zu beenden. Wenn ich mich so vor meinem Alter fürchte, wieso habe ich es dann so eilig, dahin zu kommen? Vielleicht bilde ich mir ein, dass Erfolg und eine teure Matratze die Schmerzen des Älterwerdens dämpfen können. So à la «ja, der attraktive junge Mann hat dich gesiezt, aber er hat dich auch Doktorin genannt!»

Und so ganz falsch würde ich mit dieser Vermutung wahrscheinlich nicht liegen. Bis zu einem bestimmten Punkt vermehrt das Geld auch die Zufriedenheit und ein bisschen was zum Angeben kann bestimmt nicht schaden, wenn die ersten Stirnfalten einsetzen. Nur: Unseren Erfolg vergleichen wir meistens mit grösseren und Erfolgsgefühle sind vergänglicher als Urlaubsromanzen. Ich kann mir also kein Erfolgsbäuchlein für härtere Tage anfressen. Stattdessen muss ich mich darauf verlassen, dass mein zukünftiges Ich seine altersgerechte Aufgaben erfüllt – genau wie ich meine heute. Und wenn sich mein zukünftiges Ich schämt, weil es sich keine neue Hose leisten kann, dann kann es sich wenigsten damit trösten, dass Rörlijeans – insbesondere löchrige – alle zwanzig Jahre wieder in Mode kommen.