Profit den Pensionskassen
Pensionskassen bauen im Auftrag der ETH Studiwohnheime am Hönggerberg. Bewohner*innen erzählen von kaputten Waschmaschinen, Silberfischplanen und zu hohen Mieten.
Günstiger Wohnraum in Zürich ist knapp, gerade für Studierende mit kleinem Budget. Während Studis aus der Schweiz notfalls selbst längere Pendelwege auf sich nehmen können, sind ausländische Studierende besonders auf Angebote von JUWO, WOKO und dergleichen angewiesen. Durch den hohen Anteil ausländischer Studierender an der ETH, 35 Prozent im Vergleich zu 10 Prozent an der Uni Zürich, sind die Studis dort besonders betroffen.
Um Abhilfe zu schaffen, veranstaltete die ETH vor 13 Jahren Architekturwettbewerbe, um zwei neue Gebäude auf dem Campus Hönggerberg bauen zu lassen. Die Baurechtsverträge ging die ETH mit der Luzerner Pensionskasse (LUPK) und der Lebensversicherung Swiss Life ein. Diese sehen vor, dass das Grundstück trotz Bau und Vermietung durch Private Eigentum der ETH bleibt. Laut Angaben der ETH ist diese zwar bei der Vereinbarung des Mietzins beteiligt, verdient am Projekt jedoch nicht mit. Der Gewinn steht allein der LUPK und Swiss Life zu, die den Bau finanzieren.
Pensionskassen wie die LUPK investieren ihr Geld in solche Projekte, um das in die Kasse eingezahlte Geld vor Inflation zu schützen. Das hat aber auch Auswirkungen auf die Wohnungskrise. Da die Pensionskassen auch Rendite machen und an potenzielle Pensionskassenzahler* innen vermieten, entsteht eine Art Teufelskreis: Die Mieten werden höher, um die eigene Rente längerfristig zu schützen. Gleichzeitig profitie en nicht alle gleich von der Pensionskasse. So investieren ärmere Menschen ihre Rente meist in die Miete, während reichere Menschen oft ein Eigenheim besitzen. Wenn dann Pensionskassen Wohnungen vermieten, wird de facto von Arm zu Reich umverteilt.
Die Mieten steigen, die Verwaltung schweigt
Auch Versicherungen wie Swiss Life vermieten solche Gebäude, um langfristig Profit zu machen. Zwei Jahre nach Baubeginn wurde der Bau des HWW «livingscience» und des HWO «studentvillage» abgeschlossen. Die ETH wirbt damit, Platz für rund 900 Studierende geschaffen zu haben. Die Zimmer im «livingscience»-Gebäude sollen durchschnittlich 550 Franken kosten, für 20 Quadratmeter Parkettboden.
Nino* studiert Biologie an der ETH und wohnt bereits seit über drei Jahren im «livingscience». Für rund 17 Quadratmeter zahlt er 706 Franken im Monat. Grundsätzlich zahle man für eine Studiowohnung rund 800 Franken, für 2er-WGs 700 Franken und in 6er- WGs 600 Franken pro Zimmer. Doch die Preise verändern sich stetig: «Ich glaube, man hat ungefähr eine eineinhalbjährige Gnadenfrist.
Danach werden die Mietpreise etwa einmal im Jahr – geknüpft an den Mietpreisindex – erhöht.» Seine eigene Miete wurde bisher noch nie erhöht: «Ich bin aktiv für die Interessen der Mieterschaft und habe mich auch schon öfters mit der Verwaltung angelegt. Entweder haben sie keine Lust mehr auf mich oder sie haben durch den häufigen Wechsel von Mitarbeitenden den Überblick verloren.»
Bei jedem Einzug wird der Preis für ein Zimmer 20 Franken teurer. Diese dynamischen Mietpreise finde ich unfair.
Die Firma MIBAG verwaltet für die LUPK die Liegenschaft «livingscience». Beschwerden beziehen sich seit einer Weile meistens auf das neue System für den Mieter*innenwechsel. Nino sagt: «Neuerdings hat die MIBAG es unmöglich gemacht, Nachmieter*innen selbst auszuwählen. Bewohner*innen in 2er-WGs bekommen zufällige Nachmietende zugeteilt. Ich habe einen Mitbewohner, der sein Zimmer untervermietet hat. Der Hauptmieter möchte jetzt ausziehen. Am liebsten hätte ich es, wenn der Untermieter bleiben könnte, dieser kommt aber jetzt schon seit einem halben Jahr nicht auf die Warteliste, wodurch er dann wahrscheinlich ausziehen muss und ein Wildfremder einziehen wird.»
Auch das Auswählen aus verschiedenen möglichen Nachmietenden aus der Warteschlange sieht die MIBAG nicht vor. Über Probleme mit der Verwaltungsfirma berichten auch andere Anwohner*innen der «livingscience». Henriette*, die bis vor kurzem dort wohnte und ihr Zimmer einige Tage vor dem Einführen des Wartelistensystems an ihren Bruder abgeben konnte, sagt: «Die Mieten sind fair für Zürich, doch es tauchen immer wieder Probleme mit MIBAG auf. Beispielsweise funktionieren in manchen Wohnungen die Heizungen nicht und die Waschmaschinen sind oft kaputt.» Auch Nino erzählt von Verzögerungen bei Reparaturen.
ETH baut alles ausser Wohnungen
So lebe einer seiner Mitbewohner seit mehr als sieben Monaten mit einer kaputten Zimmertür. Aber auch die letzte Reinigung der Waschmaschinenräume sei mehr als ein halbes Jahr her – obwohl dies laut Vertrag in der Verantwortung des Vermieters liege. Zudem bestehe schon seit Jahren ein Silberfischproblem in den Waschräumen. Fragwürdig scheinen die Antworten der MIBAG auf entsprechende Anfragen der Mieter*innen: Da es sich um Studiwohnungen handelt, gäbe es Spezial-Regeln. «So fühlt man sich als Student*in und Mieter* in oft nicht ernst genommen», sagt Nino.
Laut der Verwaltung MIBAG fördere das neue System für Nachmietende hingegen Fairness und Transparenz: «Früher war es möglich, eine*n Nachmieter*in selbst zu stellen. Da es jedoch zu Missbrauchsfällen kam, bei denen Bewohner*innen bestochen wurden, um Zimmer zu erhalten, mussten wir Massnahmen ergreifen, um dies zu unterbinden.» Auch die Reinigung der Waschräume übernehme sie, doch für die Sauberkeit sei die Mieterschaft verantwortlich. Für die kaputten Waschmaschinen sei bereits Ersatz geliefert oder bestellt. Lieferzeiten könnten dabei variieren.
Nino befindet die Qualität der Wohnungenn trotz der genannten Mängel für gut: «Das Problem ist nur, dass es viel zu wenige gibt. Die ETH hat grosse Pläne, ihren Campus bis 2040 zu erweitern, doch keines der neuen Gebäude soll Wohnraum für Studierende schaffen. Stattdessen bauen sie lieber Labore und administrative Gebäude.» Im «studentvillage» sieht das Leben ein wenig anders aus: «Ich zahle 825 Franken für mein Zimmer», sagt Thomas*. Er studiert im dritten Semester Informatik an der ETH und wohnt seit rund einem halben Jahr im «studentvillage».
Trotzdem ist er mit seiner Wohnung zufrieden: «Das Wohnzimmer ist riesig, die Küche und das Bad sind relativ modern.» Die Wohnungen verfügen auch über einen geteilten Balkon. Das Beste sei aber die Nähe zur ETH: «Ich kann nach dem Abendessen noch lernen gehen, ohne extra in ein Tram oder auf das Velo zu steigen.» Gerade für Prüfungen einen kurzen Fussweg zu haben, sei schön.
Laut der ETH sind die Wohnungen hauptsächlich für ETH-Studierende gedacht. Wenn es aber mal zu wenig Bewerbungen gäbe, könnten auch Unistudierende einziehen. Oft werden Wohnungen im «studentvillage» jedoch von Freund*innen der Vormietenden übernommen, was das Finden einer Wohnung dort ohne Vitamin B erschwere. Um bezahlbaren Wohnraum für Studierende zu sichern, braucht es nicht nur neue Bauprojekte, sondern auch faire Mietmodelle und transparente Vergabekriterien. Die Wohnsituation bleibt eine Herausforderung, solange Mieten durch private Interessen steigen und Studierende ohne Kontakte oft das Nachsehen haben.
*Namen durch die Redaktion geändert.