Kein & Aber

Berlin-Stories

Kulturspalte

21. September 2022

Roman — Zoé, die Ich-Erzählerin dieser Geschichte, kommt aus einer verschlafenen Kleinstadt in Florida und studiert in New York Kunst. Ein traumatisches Ereignis und Gestalten ihres früheren Lebens lauern beständig hinter ihr. Sie entschliesst sich zur Flucht nach vorne und tritt ein Austauschjahr in Berlin an. Dort ergattert sie mit ihrer Mitstudentin Hailey die Wohnung der bekannten Krimi-Autorin Beatrice Becks zur Untermiete. Die zwei sind ausser sich vor Freude, einen solch glanzvollen Altbau zu beziehen, und es sieht nach dem Beginn einer wunderbaren Freundschaft aus. Bald jedoch wird ihr Glück von einer Reihe mysteriöser Ereignisse überschattet. Die jungen Frauen wähnen sich im heimlichen Blick der Vermieterin und Krimiautorin. Dienen sie als Charakterstudien für deren neues Buch? Doch Zoé und Hailey nehmen die Geschichte selbst in die Hand und machen sich kurzerhand einen Namen in der berühmt-berüchtigten Partyszene Berlins. Ihre noch junge Freundschaft wird durch einen toxischen Mix aus Paranoia, Konkurrenzkampf und Obsession beständig auf die Probe gestellt.

Zoés (sexuelle) Selbstfindung, die Kunstwelt-Kritik und die liebevolle Beschreibung des Berliner Umfelds machen süchtig. Man fühlt mit der Erzählerin, ist aber bis zum Schluss skeptisch, ob man ihren Schilderungen trauen kann; ein köstliches Spiel mit Vertrauen und Vernunft. Neben der Suspense, die von der scheinbar omnipräsenten Krimiautorin ausgelöst wird, halten einen auch das ständige Auftauchen schillernder und spannender Figuren auf Trab. 

Die Autorin Calla Henkel ist selbst aus den USA nach Berlin gezogen und betreibt eine Bar unweit des Schauplatzes dieser Geschichte. Sie zeichnet ein Berlin um 2008, eine Stadt im beständigen Sog der Gentrifizierung, stets auf der Jagd nach dem nächsten «Underground Venue». Auch der mystifizierte und heute vielerorts leere Hedonismus wird im überbordenden Nachtleben um Zoé und Co. auf die Probe gestellt. Henkels Debütroman lässt an einer atemberaubenden Irrfahrt durch Berliner Nächte teilnehmen, von denen man keine einzige versäumen will. 

«Ruhm für eine Nacht», von Verena Kilchling aus dem Englischen übersetzt, ist im Handel erhältlich.