Wer optimiert prokrastinieren will, hat die Qual der Wahl. Johannes Luther

Optimiert prokrastiniert

Es gibt viele schöne Arten, dringende Uni-Arbeiten aufzuschieben – sprich zu prokrastinieren. Doch auch das das ist eine Kunst, die viel Übung benötigt.

6. November 2014

Die Kunst des Prokrastinierens will gelernt sein. Nur einem Laien käme es in den Sinn, mit unmotiviertem Verzehr von Knabbereien und halbherzigen Aufräumversuchen die Bürde des Arbeitsdrucks mindern zu wollen. Eine Handvoll abgestandenes Müesli und eine unwesentlich besser sortierte Sockenschublade später jedoch wird ihm oder ihr die Torheit dieses Vorgehens schmerzlich bewusst: Auch Zeitverschwenden muss man optimieren.

Das Problem

Allein die kompromisslose Maximierung von Genuss und/oder Produktivität verwandelt das Verplempern von wertvoller Lebenszeit in eine zeitgemässe Beschäftigung für den modernen Kapitalisten. Work hard, play harder. Daher sollte die Unterbrechung der zu vermeidenden Arbeit entweder aufs Höchste a) vergnüglich oder b) produktiv sein. Unterbricht man eine verhasste Arbeit hingegen mit einer zweitklassigen Belohnung oder einer nur etwas weniger verhassten Ablenkung, befriedigt man das Bedürfnis nicht auf eine zufriedenstellende Art und Weise. Anstatt ein genüssliches Frönen in der Ablenkung zu ermöglichen, hinterlässt diese minderwertige Art von Untätigkeit einen schalen Geschmack im Mund.

Vielleicht kommt der aber auch vom zuvor verspeisten, modrigen Müesli. Es wäre wirklich schlau, so einen verdammten Plastikclip auf die Tüte zu machen, statt sie immer halb offen zurück in den Schrank zu stellen. Hab ich nicht letztes Mal bei Ikea einen ganzen Sack von den Teilen gekauft? Wo sind die jetzt schon wieder hin? Am besten mache ich mich direkt auf die Suche, anstatt diesen bekloppten Artikel hier fertig zu schreiben. Wetten, die sind irgendwo bei den Tupperdosen...

«MOMENT!!», mag der geneigte Leser rufen, «Plastikclips suchen als Ablenkung vom Artikelschreiben? Ist das vielleicht optimiert prokrastiniert?» Die Antwort: Gut beobachtet! Selbstverständlich nicht. Besonders dann nicht, wenn das Schreiben des besagten Artikels über Prokrastinierung selbst schon die Ablenkung von einer bald fälligen Seminararbeit darstellt. Also zurück zum Artikel.

Der Tipp

Das Verfassen eines solchen resultiert in einem absolut vorzeigbaren Produkt, das jeden Unproduktivitätsvorwurf im Keim erstickt. Zudem lässt es sich als Freiwilligenarbeit für eine Studierendenorganisation verbuchen und ist damit sogar lebenslauffreundlich. Wem das zu produktiv ist, empfehle ich die bitterböse und mit nur 8 Episoden viel zu kurze BBC-Serie Posh Nosh mit Richard E. Grant. Dieser ist Freunden des Genres «bitterböse britische Filme mit Alkoholismus» bestens bekannt aus dem Kultklassiker Withnail and I.

In köstlichen neunminütigen Häppchen persifliert Posh Nosh sowohl abgestandene Kochshowklischees als auch die Abgehobenheit und Hartherzigkeit der britischen Oberschicht in Form des ‚liebenden’ Ehepaars Simon und Minty Marchmont. Die Kürze der Episoden – die alle auf Youtube vorhanden sind – legitimiert die kleine Unterbrechung und der gehässige Genusssüchtige kommt hier völlig auf seine Kosten.

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ZS-Prokrastinationsbarometer:

Work: Verfassen eines ZS-Artikels. Bitte nach Beenden einschicken! (ca. ½ Tag)

Play: 1-8 Episoden Posh Nosh (ca. 9 min/Episode)