Nora Gsell

Duell: Bettlern Geld geben

Bekanntheiten aus aller Welt und Zeit duellieren sich zu ausgelosten Themen.

25. Oktober 2014

PRO: Karl Marx

Zuerst eine Begriffsklärung: Bettler sind nicht nur mittellose Individuen. Sie sind vielmehr Teil einer für die Revolution unbedeutenden Klasse, sie sind Teil des sogenannten Lumpenproletariats, der Auswurf aller anderen Klassen. Das sind konkret: verkommene Ableger der Bourgeoisie, Vagabunden, entlaufene Galeerensklaven, Spieler, Orgeldreher.

Was ist nun mit diesem Lumpenproletariat? Es gilt nochmals zu betonen: Für die Revolution ist es nichts wert. Es kann kein Bündnispartner der revolutionären Arbeiterklasse sein, da es in keinem Abhängigkeitsverhältnis zum Kapital steht. Aber man stelle sich vor: Ein Spaziergang durch das morgendliche London, anno 1876, ein solcher Mensch des Lumpenproletariats fragt nach einigen Pennies – sollen ihm diese verwehrt werden?

Nein. Denn Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann. Die Freiheit muss erkämpft werden. Daher ist dem Lumpenproletarier Geld zu geben; nicht aus humanitären, sondern aus revolutionären Gründen. Kann ein Bettler aufsteigen, Lohnarbeiter werden, so wird er Teil der revolutionären Kraft gegen das bourgeoise Kapital.

Es gilt nicht den armen Menschen zu bestrafen, sondern die Bourgeoisie zu bekämpfen. Die hegemoniale Vorstellung des Profitschlagens muss durchbrochen, das Kapital zu Gunsten der Arbeiterklasse umverteilt werden. Denn Geld ist nicht eine Sache, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis. Es ist nicht die Schuld des Bettlers, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

Gebt den Bettlern nicht nur Geld, schenkt ihnen eine Ausgabe des Kommunistischen Manifests dazu. Denn nur wer die Dialektik des Klassenkampfes versteht, kann die richtigen Konsequenzen ziehen. Der Bettler soll Arbeit leisten. Arbeit im Sinne von: Ware, die der Lohnarbeiter an das Kapital verkauft. Denn nur der Arbeiter kann die Bourgeoisie, die herrschende materielle und herrschende geistige Macht, bekämpfen. Denn die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. [nik]

CONTRA: Dagobert Duck

Ich kann niemanden leiden und mich kann auch niemand leiden. Diesen Satz legte mir mein Schöpfer Carl Barks bei meinem ersten öffentlichen Auftritt im Jahre 1947 in den Schnabel. Viel Zeit ist vergangen, meine Einstellung hat sich seitdem etwas gewandelt. Ich habe meine Familie schätzen gelernt, allen voran meine drei Grossneffen Tick, Trick und Track. Wenn ich mal meinen letzten Quaker getan habe, weiss ich, dass mein Vermögen bei ihnen in guten Händen ist. Trotzdem gibt es immer noch Dinge, die ich abgrundtief verachte. Ganz oben stehen: Schmarotzer. Und damit meine ich nicht nur meinen nichtsnutzigen Neffen Donald. Wenn es nämlich etwas gibt, das ich nie gutheissen werde, dann ist es die Unsitte, Bettlern Geld zu geben. Almosen und Abgaben – Pah! Mir hat in meinem Leben auch niemand was geschenkt! Ich musste mir mein Vermögen mit harter und ehrlicher Arbeit verdienen.

Ich bin reich geworden, weil ich zäher war als die Zähsten und schlauer als die Schlausten! Und nicht weil ich unrasiert und angetrunken um halb zehn Uhr vormittags Wartende an Tramhaltestallen gefragt habe: «Tschuldigung! Hend Sie mir ächt mal’n Taler?» Noch schlimmer als die unrasierten Asozialen, die solch unverschämte Fragen stellen, sind die Idioten, die diese Dreistigkeit sogar noch mit einer Spende belohnen. Asozialen Pennern Geld geben! Soweit kommt’s noch! Als ob ich mit den Panzerknackern nicht schon genug zu schaffen hätte! Ächz! Keuch! Stöhn!

Mir hat niemand gesagt, wie man Kapitalist wird. Aber ich kann allen sagen, wie man einer bleibt. Haltet euer Geld zusammen! Hortet es! Beschützt es! Macht sinnvolle Sachen damit! Ein Geldbad zum Beispiel. Ich kann versichern, für mich ist es ein Hochgenuss, wie ein Seehund in mein Geld zu springen und wie ein Maulwurf darin herumzuwühlen und es in die Luft zu schmeissen, dass es mir auf die Glatze prasselt. Wer Geld verschenkt, füllt keine Geldspeicher. Wer Almosen gibt, schafft es nur zu einem Klaas Klever oder meinetwegen vielleicht zu einem Mac Moneysac. Zur reichsten Ente der Welt bringt es auf diese Weise sicher niemand. [jol]