Bella Italia
Es ist Spätnachmittag irgendwo am Strand in Sizilien, oder vielleicht in einer toskanischen Weinbergregion, womöglich auch an der Piazza Navona in Rom. Das Licht badet die Landschaft, in der du mit deinem Aperitivo sitzt, in goldene Farbe. Während du die an dir vorbeiziehenden Tourist*innen mit skeptischem Blick studierst, spielt jemand über einen Verstärker akustische Gitarre. Du inhalierst, nicht ohne Performativität, tief durch die Nase und lehnst dich gelassen zurück. Das ist es: La dolce vita. Bilderbuch Italien. Das Warten hat sein Ende und die langersehnte Vorstellung dieses Lifestyles ist endlich Tatsache – bestehend aus klischierten Bildern. Nun realisieren sich diese Bilder. Dir geht es gut. Oder: Dir sollte es gut gehen. Denn so hast du es dir versprochen. Nur ist da aber diese Genervtheit, die du nicht abschütteln kannst. Dich nervt das Sprachengemisch aus Englisch-Holländisch-Koreanisch, das deine Ruhe stört und das Italienisch der Einheimischen übertönt. Dich nervt, dass du deine Ferien mit Fremden teilen musst, die sich dieselben ausgedacht haben. Dich nerven die kitschigen Kulissen alter Kirchen und Pflasterstein- Piazze, die dir ohnehin unecht erscheinen und das Gefühl auslösen, das alles hier schon etliche Male erlebt zu haben. Dich nervt, dass das «authentisch Italienische» gar nicht mal so authentisch ist, dass der Tourismus ihn zu selbst-wahrnehmend gemacht hat. Dich nervt deine Feigheit, nicht in ein Land gereist zu sein, in dem man sich an keinen Klischees orientieren kann – und dass du nicht besser als die anderen bist. Dich nervt es aber letztlich, dass du dich nervst. Es sollte dir ja gut gehen, bist du ja im utopischen Bella Italia.