Studierende wehren sich gegen die androhenden Kostenaufschläge.

Im Widerstand gegen die Sparpolitik

Die Studiengebührenerhöhung ist angekündigt. Studierende wehren sich und gehen schweizweit auf die Strassen.

Enrico Zurbuchen (Text und Foto)
17. November 2025

Am ersten Oktober treffen sich Studierende der Uni und ETH um 12:30 Uhr auf dem Helvetiaplatz, um gegen die geplanten Studiengebührenerhöhungen des Entlastungspakets 27 zu demonstrieren. «Wir stehen heute hier, entschlossen, zusammen, laut, weil wir für etwas stehen, das für die Schweiz unabdingbar ist. Eine Zukunft, die auf Wissen, Bildung, Chancengleichheit und Innovation beruht», verkündet Emma Hilgenstock, Vorstandsmitglied des Verband Schweizer Studierendenschaften (VSS), bei ihrer Ansprache. 1600 Leute haben sich auf dem Helvetiaplatz versammelt. Mit Parolen wie «Reiche Eltern für alle!» und «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Bildung klaut!» wird durch die Strassen gezogen. 

Schuldenprophylaxe 

Julia Bogdan, Co-Präsidentin des Verbands der Schweizer Studierendenschaften, sieht in der vorgeschlagenen Erhöhung der Studiengebühren einen «Angriff auf die Chancengleichheit ». Nicht alle hätten die finanziellen Mittel, um höhere Gebühren stemmen zu können: «Viele arbeiten schon, haben jetzt schon Stipendien und kommen jetzt schon jeden Monat an ihre Grenzen.» Das Entlastungspaket 27 soll grosse Defizite im Bundeshaushalt vorbeugen, denn nach dem Voranschlag des Bundes für das Jahr 2026 wird ein Finanzierungsdefizit von 609 Millionen Franken im ordentlichen Haushalt budgetiert. Das durch die Schuldenbremse zulässige Defizit von 717 Millionen Franken wird dabei noch nicht vollständig ausgeschöpft. Der Bund rechnet aber mit einem unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren, weshalb sich das Finanzierungsdefizit ab 2029 auf 1,4 Milliarden Franken erhöhen dürfte. Um dann noch die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten, sieht der Bundesrat Gegenmassnahmen für notwendig. Die Mitlglieder der Students for Palestine und der Revolutionären Kommunistischen Partei machen auf der Demo darauf aufmerksam, welche Bereiche auch von den Sparmassnahmen betroffen sind. 

Studierende zeigen Präsenz 

Der «rechte Bundesrat» kürze bei Klimaschutz, der Kinderbetreuung, der Energiewende, den Löhnen und Renten. Gleichzeitig würden Milliarden für Panzer, Kampfjets und israelische Drohnen verschwendet. Auch bei der Forschung soll gespart werden: Das Budget des Schweizerischen Nationalfonds soll im Jahr 2027 um zehn und im Jahr 2028 um elf Prozent gekürzt werden. Der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VDOP) ist bei der Demo auch sichtbar.

Jonas Keller, Regionalsekretär für Lehrberufe des VDOP sagt dazu: «Die Kürzungen an Projektgeldern wären verheerend für die Nachwuchswissenschaftler* innen, weil diese dadurch die Möglichkeit verlieren, ihre Doktorarbeiten zu schreiben oder eine Professur anzustreben. » Am Ende der Demonstrationen in Zürich, Basel, Freiburg, Lugano, Lausanne, Genf und Neuenburg ist es für viele noch nicht getan. Über 3000 Menschen ziehen weiter auf den Bundesplatz in Bern. Dort wird die Petition «Studieren muss bezahlbar bleiben – jetzt» mit 37’361 gesammelten Unterschriften an den Bundesrat überreicht. Sie wurde vom VSS-initiiert. Hilgenstock sieht die Demonstrationen als vollen Erfolg: «Es war eine enorme Koordinationsarbeit auf nationaler Ebene notwendig, um so zahlreiche Studierendenverbände zu mobilisieren und bei der Organisation von Aktionen der einzelnen Sektionen und Standorte zu unterstützen. Zudem hat der VSS zusammen mit den Berner Sektionen die Demo auf dem Bundesplatz in Bern organisiert. Hier hat der VSS eine wahnsinnige Leistung erbracht.» Sie sei anfangs von hunderten Teilnehmenden ausgegangen. Mit schweizweit 6000 Demonstrierenden habe sie nicht gerechnet: «Damit haben wir alle ein ziemlich starkes Zeichen an die Politik gesendet: Der Bund darf nicht bei der Bildung sparen», sagt Hilgenstock. Die nervenaufreibende Medienarbeit habe sich folglich ausgezahlt. «In der gesamten Schweiz wurde über die Aktion berichtet, weshalb wir zuversichtlich sind, dass der National- und Ständerat die Bedeutung von Bildung in der Schweiz erkennen und die Einsparungen nochmals diskutieren werden.»

Die Massnahmen in der Bildung des Entlastungspakets 27 stossen aber nicht nur auf Widerstand, von der FDP und der SVP werden sie unterstützt. Im internationalen Vergleich würden die Studiengebühren der Schweizer Hochschulen tief ausfallen. Insbesondere sei ein Studium an der ETH im Vergleich zu den weltweiten Eliteuniversitäten relativ günstig. So tragen hiesige Studierende nur zwei bis fünf Prozent der Kosten der Universitäten, Fachhochschulen sowie der ETH und EPFL. Dieser Anteil ist beispielsweise im britischen oder US-amerikanischen Bildungswesen wesentlich höher. 

Politischer Diskurs folgt 

Im Rahmen einer kürzlich an der Uni abgehaltenen Podiumsdiskussion zu ebendiesem Thema argumentierte SVP-Kantonsrat Rochus Burtscher für die Verdoppelung der Studiengebühren. Er hatte bereits vor mehr als zwei Jahren im Rat und in der Bildungskommission darauf hingewiesen, dass wir aufgrund immer mehr Forderungen im Bildungswesen «mit 300 km/h auf eine stehende Wand zufahren.» Die angedrohten Sparprogramme seien nun da. «Auch Studierende sollen ihren Obolus zu dieser miesen finanziellen Haushaltslage beitragen», sagt Rochus. Gut ausgebildete Professor*innen hätten halt ihren Preis. Es sei in Ordnung, wenn die Studiengebühren aufgrund Inflation und Teuerung steigen. Für diejenigen Studierenden, für die es finanziell knapp ist oder wird, habe der Kanton Zürich Stipendien bzw. Darlehen geschaffen. Die Finanzierung der Schweizer Bildung ist und bleibt ein vielseitig umstrittenes Thema. Schlussendlich wird in der kommenden Wintersession der Ständerat das Paket diskutieren. Hilgenstock zeigt sich zuversichtlich: «Wir sind froh, dass wir gehört wurden und dass die Diskussion nun nicht mehr stillschweigend geschieht.» Der VSS wird sich nun laut Hilgenstock auf das Stipendienwesen konzentrieren. Das Ziel ist hierbei, dass, wenn die Erhöhung trotzdem durchkommen sollte, die Chancengleichheit wenigstens etwas weiter gewährleistet werden könne.