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«Ich bin nicht dazu da, mir den White Guilt meines Publikums anzuhören»

Mit Satire und Humor gegen Rassismus: Nora Osagiobare schreibt in «Daily Soap» über strukturellen Rassismus in der Schweiz – Im Gespräch mit der Autorin über ihren Debütroman und die Notwendigkeit von Humor.

Maxime Alexander (Interview)
21. September 2025

«Daily Soap» ist eine satirische Seifenoper in Romanform, die einen nicht nur zum Lachen bringt, sondern auch zum Denken anregt. Nora Osagiobare thematisiert in ihrem Buch den strukturellen Rassismus in der Schweiz und bricht soziale Konstrukte unserer Gesellschaft auf. Im Interview erzählt die Autorin von ihrem Schreibprozess, persönlichen Rassismuserfahrungen und woher ihr Humor kommt.

Wann und wie kam dir die Idee für «Daily Soap»?

Ich hatte keine Ursprungsidee, verschiedene Dinge kamen zusammen. Zum einen hat die  Erkenntnis, lustige Bücher schreiben zu können, mich dazu bewegt, mehr zu schreiben. Zum anderen habe ich mich mit einer Freundin darüber unterhalten, wie es wäre, eine politische Seifenoper zu schreiben. Das hat mich inspiriert – der Rest ergab sich beim Schreiben.

Im Buch nutzt du verschiedene Stilmittel und kreierst dadurch eine eigene Sprache. Wie kommst du dazu? 

Beim Schreiben wird mir schnell langweilig. Mit dem Stilmix halte ich mich bei Laune. Andererseits denke ich auch, dass das, was ich erzählen will, verschiedene Formen verlangt. Form und Inhalt sind für mich nicht strikt trennbar und so ist meine Erzählform auch dem Inhalt gewidmet.

Welcher Charakter war für dich am intuitivsten? 

Frau Bodeca. Sie war zu Beginn eine Nebenfigur, die sich im Schreibprozess immer mehr ins Zentrum gedrängt hat. Das hat mich überrascht, da mir ihre Figur rein psychologisch ferner ist als die anderen. Die Hauptfigur Toni hingegen ist mir am schwersten gefallen. Deswegen kommt sie auch nur wenig vor.  Im Wahnsinn ihres Umfelds findet sie kaum  Platz und versteckt sich sowohl vor mir als auch vor den Leser*innen.

Seid ihr euch in dieser beobachtenden Position ähnlich oder stürzt du dich gerne in die Mitte des Geschehens?

Bei mir schwankt das stark von einem Extrem zum anderen. Das zeigt sich auch beim Schreiben: Entweder schreibe ich sehr viel oder gar nicht. In ruhigen Phasen verarbeite ich all die angestauten Eindrücke, um mich dann wieder zurück ins Leben zu stürzen und Erfahrungen zu sammeln, die ihren Weg zurück ins Schreiben finden. Ich ziehe also viel aus meinem Leben.

Wie hat sich das im Schreibprozess dieses Buches gezeigt?

«Daily Soap» war eine Verarbeitung von sehr viel Schmerz. Als marginalisierte Person spielt man seine rassistischen Erfahrungen oft runter. Die Erkenntnis, dass Dinge rassistisch gemeint sind, ist belastend und der Frust, der sich über Jahrzehnte angestaut hat, musste raus. Durch das Schreiben ist diese Last von mir abgefallen und ich hatte die Möglichkeit mich selbst besser zu sehen.

Du schreibst oft humorvoll über diese Themen. Wie kommt das?  

Humor wurde mir von meinen Eltern in die Wiege gelegt. Ich habe aber auch gelernt, dass man das Leben trotz seiner Tücken mit Humor nehmen muss, um – pragmatisch gesprochen – zu überleben. 

Welche Themen beschäftigen dich momentan?

Gerade beschäftigt mich der Rechtsrutsch der Politik und Gesellschaft. Ich hatte als Kind oft Alpträume von Rechtsextremen, weil ich in einem Dorf aufgewachsen bin, in dem es viele Neonazis gab. Diese Träume sind lange ausgeblieben, kommen jetzt aber wieder zurück. Das ist ein klares Alarmsignal für mich. Ich möchte dieses Thema gerne bearbeiten, damit es mich nicht unterschwellig belastet.

Wie waren die Reaktionen der Leser*innen auf das Buch?

Die Reaktionen auf mein Buch fielen sehr positiv, aber auch ungewollt rassistisch aus. Einige waren der Meinung, dass ich  einen spannenden, komplizierten Namen hätte. Da frage ich mich dann, ob die Leute den Roman überhaupt gelesen haben. Ich glaube dass viele Leser*innen ihre eigenen Rassismen nicht wahrnehmen oder sich viel mehr trauen, diese vor mir auszusprechen. Das kann sehr anstrengend sein. Ich bin nicht dazu da, mir den White Guilt meines Publikums anzuhören, sondern um frei zu sprechen. Aber es freut mich, dass die Reaktionen aus vielen verschiedenen Kreisen positiv sind. Dass ich von Rassismus Betroffenen Zuspruch bekommen habe, zeigt mir, dass ich nicht nur für mich, sondern auch für eine Community sprechen konnte.

Was wünschst du dir, dass Leser*innen aus deinem Buch mitnehmen?

Es ist unglaublich anstrengend, zusätzlich zu den Hürden des Alltags mit Marginalisierungserfahrungen konfrontiert zu werden. Vielen Menschen ist nicht bewusst, was es bedeutet, Person of Color (POC) zu sein. Ich möchte, dass Leser*innen sensibilisiert werden und Verständnis für POC wecken.  

Und was steht als nächstes an?

Dieses Jahr gebe ich noch einige Lesungen für «Daily Soap». Ich arbeite aber bereits an einem zweiten Roman und mache zusätzlich eine Hospitanz am Theater. In der nächsten Spielzeit schreibe ich ein eigenes Stück.

Nora Osagiobare ist 1992 geboren, hat Literarisches Schreiben in Biel und Wien studiert und lebt heute in Zürich. «Daily Soap» ist ihr Debütroman, der im Februar 2025 erschienen ist. Lesungen mit Nora Osagiobare finden in Solothurn, Uster und Altdorf sowie am Festival «Zürich liest» statt.