Alles wird gut, aber nicht ohne Testament
Der Film «All Shall Be Well» zeigt queere Liebe und den Verlust im Alter mit leiser Intensität und erhebt zugleich eine politische Stimme für rechtliche Gleichstellung.
Im Rahmen des zwanzigsten Zürcher Film Festivals zeigt Ray Yeung, renommierter Hongkonger Drehbuchautor und Regisseur, dem Schweizer Publikum zum ersten Mal sein neues Queer-Drama «All Shall Be Well». Mit Patra Au als Angie und Maggie Li Lin Lin als Pat in den Hauptrollen erzählt der Film die Geschichte eines lesbischen Pärchens in ihren Sechzigern, die eine Liebe leben, ohne grosse Worte und Gesten.
Bereits die Anfangsszene unterstreicht die Vertrautheit der beiden Frauen: Beim Wandern gehen sie schweigend nebeneinander her, erreichen den Gipfel und lehnen sich aneinander, um die Ferne still zu geniessen. Die folgende Szene zeigt die beiden in ihrer gemütlich eingerichteten, für eine Grossstadt, geräumigen Wohnung. Das Aufdecken des Frühstücks ähnelt einem längst verinnerlichten Ritual: Während eine Person Teller und Besteck bereit legt, setzt die andere den morgendlichen Tee auf. Die heimelige Geborgenheit schwappt bis in den Kinosaal hinüber
Grenzen der Akzeptanz
Die ruhige Angie und die elektrisierende Pats werden schnell zum Kern der Familie. Sinnbildlich dargestellt wird dies in einer Szene des Filmes, in der die Verwandtschaft in der Wohnung des Paares das traditionelle Mondfest feiert. In der festlichen und familiären Atmosphäre wird Pat mit ihrem sarkastischen Charme zum Drehpunkt des Geschehens. Man erlebt die Seniorin als freche Schwester, grosszügige Grossmutter und liebevolle Partnerin. Dass die beiden eine lesbische Beziehung führen, wird akzeptiert und nicht in Frage gestellt – bis Pat unerwartet verstirbt.
Hier wendet sich der Film. Denn ein Testament gibt es keines und so beginnt für Angie eine Odyssee sozialer Ungerechtigkeit, denn als unverheiratete Lebensgefährtin steht ihr kein Erbe zu. Patra Au überzeugt mit ihrer emotional ergreifenden Inszenierung der Verbliebenen und rührt das Publikum zu Tränen. Wie der Titel andeutet: Alles wird gut, aber nicht ohne Testament. All Shall Be Well ist ein sanfter, berührender Film, der eine laute politische Forderung mit sich trägt: Die Dringlichkeit sozialer und rechtlicher Gleichstellung queerer Menschen.