Täuschend echt

Im Jahr 2024 einen Dokumentarfilm über «den» Film zu drehen, bedeutet vor allem, Ordnung in eine heillose Bilderflut zu bringen. «Fantastic Machine» setzt kluge Akzente, ohne den Blick fürs Ganze zu verlieren.

21. Juni 2024
Die Regisseure Axel Danielson und Maximilien van Aertryck zeigen, wie Filme uns manipulieren.

Einmal kurz innehalten: Das erste Foto ist noch keine 200 Jahre alt. Heute existieren weltweit über 45 Milliarden Kameras. Filme sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Nicht nur junge Menschen verwenden täglich mehrere Stunden auf den Konsum von Videos, ob man sie nun TikToks, Reels oder Shorts nennt. Dass Social Media einen wichtigen Teil der heutigen Medienlandschaft darstellt, ist eine Tatsache, der dieser Film Rechnung trägt. Er zeigt auf, wie der Besitz einer Kamera Zugänge zur Welt erschliessen kann. Mit jedem erschwinglichen Smartphone ist es mittlerweile möglich, einen Blickwinkel mit Millionen Menschen zu teilen.

Die individuelle Ermächtigung durch die Kamera ist ein Faszinosum, das uns in diesem Essayfilm immer wieder staunen lässt. Die ausgezeichnet kuratierten Videos scheinen auf eine emotionale Reaktion abzuzielen, die uns als Zuschauerinnen den Spiegel vorhält; wir lassen uns gerne verführen, wir sind manipulierbar, wir hören gerne eine gute Geschichte. Lustvoll und stringent vollführt «Fantastic Machine» einen Drahtseilakt zwischen unterhaltsamem Zeigen und historisch einordnendem Nacherzählen.

Fluchtpunkt dieser Geschichte des Films bildet die Frage, wie sich die Demokratie im Angesicht von Fake News und Deep Fakes in einer polarisierten Welt behaupten kann. Der Fokus auf Trumps Amerika wirkt dabei leider so erwartbar wie unterkomplex. Klar, mit der kommenden Wahl erhält dieses Reizthema neue Relevanz, doch wären weitere internationale Perspektiven eine Bereicherung gewesen, denken wir etwa an China oder Russland. Hintergründe zu Überwachungskameras, Militärtechnologie und Künstlicher Intelligenz fehlen weitgehend.

Was die Regisseure Axel Danielson und Maximilien van Aertryck aber wunderbar aufzeigen, ist die grundsätzliche Manipulierbarkeit von videografischem Material. Der allgegenwärtige Fotorealismus soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass technologische Eingriffe und narrative Rahmung Normen setzen, und unser Blick nie neutral ist. Das gilt für unseren heutigen Newsfeed genauso wie für die Krönung des britischen Königs Edward VII. im Jahr 1902; die damals neuartigen Videoaufnahmen konnten zur Freude des Herrschers mit Szenen aufwarten, die bei der echten Krönung gar nicht vorkamen. «What a fantastic machine!» soll er ausgerufen haben.