Noah Liechti, Linus Küng und Mark Blum behandeln Themen aus aller Welt.

«Satire muss nach oben treten»

Drei Studenten bringen neu eine Satirezeitung heraus. Ein Gespräch.

Lucie Reisinger (Interview)
28. Oktober 2022

Mit «Die Präsenz» habt ihr eine Satirezeitung gegründet. Was macht sie aus?

Linus: Es ist eine Mischung aus Blog-Format, Satire und Karikatur. «Die Präsenz» ist etwas sehr Unmittelbares mit Anspruch auf Qualität – und gleichzeitig Unseriosität.

Noah: Zurzeit machen wir einen Newsletter und eine gedruckte Zeitung. Im Print wollen wir jeweils ein Thema mehr in den Fokus rücken. In der neuesten Ausgabe geht um die Wolfspolitik in der Schweiz.

Anfang September ist eure erste grossformatige Zeitung erschienen. Warum Print?

Noah: Weil Print am geilsten ist und weil ich Offsetdrucken spannend finde.

Linus: Weil man so eine richtige Zeitung aufschlägt. Wir präsentieren damit den Inhalt in einem «ernsten» Zeitungsformat. So erhalten unsere Beiträge mehr Gewicht.

Wie kommt man darauf, heute eine Satire-zeitung zu gründen?

Noah: Die Präsenz ist im November 2019 im Rahmen meines gestalterischen Propädeutikums in Biel entstanden. Sie war primär als interne Zeitschrift gedacht: ein trashiges Heftchen mit Gossip. Am Abend hatte ich die Idee und am nächsten Morgen war das Heft gedruckt. Später tat ich mich mit Mark und Linus zusammen und wir begannen, von Zeit zu Zeit einen Newsletter zu versenden. Dort können wir einfach raushauen: Zeichnungen, Karikaturen und Texte.

Mark: Wir wollen mit «Die Präsenz» die Funktion der «Narrenfreiheit» einnehmen. Sie erlaubte dem Hofnarr im Mittelalter zu sagen, was er wollte.

Wie definiert ihr Satire?

Linus: Ich denke, dass es gewisse Umstände gibt, deren Absurdität einem gar nicht bewusst ist! Durch Überspitzung kann Satire diese Absurdität zeigen. Was sonst «normal» scheint,  wird in ein anderes Licht gerückt. Ich finde es aufregend, wenn etwas auf den ersten Blick seriös daherkommt und die Ernsthaftigkeit dann  durch Übertreibungen gebrochen wird.

Noah: Wer Satire konsumiert, informiert sich gleichzeitig über das Weltgeschehen, wenn auch auf eine absurde Art und Weise. Der Zynismus klärt direkt und unverfroren über die Tatsachen auf.

Was darf Satire?

Noah: Es gibt eine Grenze, doch es braucht viel, bis sie überschritten ist.

Linus: Satire muss immer nach oben treten. Gegen Institutionen, Politik oder grosse Firmen. Es ist ab dann nicht mehr okay, wenn man anfängt, gegen Randgruppen zu schiessen. Sonst geht die kritische Funktion verloren.

Noah: Aber zur Seite darf sie schon auch mal kicken.

Linus: Jaja so nach links und nach rechts.

Noah: Aber schlussendlich, finde ich, kann sich Satire recht viel erlauben, wenn sie sich selbst nicht zu ernst nimmt und nicht den Anspruch hat, irgendeine Wahrheit zu vertreten. Wir machen uns auch über uns selbst lustig. Das steht schon im Programm: «Kualitätsjournalismus».

Weshalb macht ihr euch über Qualitätsjournalismus lustig?

Mark: So viele Zeitungen behaupten, über die richtigen News zu schreiben, richtig zu berichten, Qualität zu haben und alle anderen seien schlecht. Wir wollen diese Medien auf die Schippe nehmen. So auch der mächtige Name «Die Präsenz», wie «Die Zeit», «Der Spiegel» oder «Die Welt».

Linus: Ich habe auch grosse Mühe mit dem Objektivitätsanspruch im Journalismus. Inwiefern ist Objektivität überhaupt sinnvoll? Wir bekennen klar unsere Position als drei weisse cis-Männer. Wenn ich für «Die Präsenz» etwas schreibe, ist alles subjektiv – transparent subjektiv. Angesichts des Drucks im Journalismus, mehr Klicks zu erreichen, ist Satire, die narrenfrei plärren kann, in unserer Gesellschaft besonders wichtig.

Noah: Es ist einfach nur ein Furz, den wir rauslassen.