Heldinnen des Alltags
Film — In der Dokumentation «Les Nouvelles Èves – Heldinnen des Alltags» gehen sechs Regisseurinnen der Frage nach, was es heisst, in der Schweiz eine Frau zu sein. Es ist das Coronajahr 2020, ein Jahr nach dem nationalen Frauenstreik. Die Zuschauer*innen erwartet ein Einblick in das Leben von sechs Heldinnen. Die Protagonistinnen stehen alle an unterschiedlichen Punkten im Leben und haben mit individuellen Herausforderungen zu kämpfen. Was die Geschichten verbindet, ist die Auseinandersetzung mit Dominanzverhältnissen, die tief in unseren gesellschaftlichen Strukturen verankert sind. In jeder Geschichte wehrt sich die Protagonistin gegen Rollenzuschreibungen und setzt sich für ihre persönlichen Ziele und Visionen ein.
Da ist Sela, die sich als Opernsängerin fragt, wie sie tragische Frauenrollen verkörpern soll, ohne dass sie zu einer leeren Farce werden. Oder Naima, die seit sechzehn Jahren in der Schweiz lebt und nach unzähligen prekären Jobs eine Lehrstelle anstrebt. Auch Valeria ist mit einem Neustart konfrontiert, als sie in den Ruhestand tritt und sich von ihrem Mann trennt. Die Geschichten dieser Frauen thematisieren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Suche nach Identität und Unabhängigkeit.
Die Stärke der Dokumentation ist, dass sie Auszüge alltäglicher, nahezu banaler Szenen zeigt und sie gleichzeitig gekonnt hinterfragt. Denn etablierte gesellschaftliche Werte und damit einhergehende Praktiken, welche die feministische Bewegung anficht, tragen nach aussen oftmals keinen spektakulären Charakter. Es ist deshalb dringend nötig, dass sie in der Art, wie sie auftreten, angesprochen werden und Aufmerksamkeit erhalten.
Allerdings hätten die Regisseurinnen stärker auf den Aspekt von Geschlecht als soziales Konstrukt sowie auf das breite Spektrum von Geschlechteridentitäten eingehen können. Das dominante Narrativ verbleibt leider bei der Gegenüberstellung von Mann und Frau. Dabei hätte der Film etwa mit dem Porträt einer Trans-Frau eine vielfältigere Darstellung geboten und so die Debatte bereichert.