Die Instanz fürs Sexleben
Seit den Neunzigern führt Erika Knoll die Condomeria in der Altstadt. Ein Porträt.
«Ich bin übrigens die Erika!», tönt es vom anderen Ende der Leitung. Genauso nahbar und herzlich ist dann auch das Gespräch in natura mit Erika Knoll, der Geschäftsführerin der Condomeria im Herzen des Zürcher Niederdorfs. Das Coronavirus habe dem Lädeli einen herben Schlag versetzt, erzählt Erika. Sie kämpft ums Überleben des kleinen Fachgeschäfts, das unter anderem Kondome und Sexspielzeug verkauft. Zwar gibt sich an diesem Tag die Kundschaft die Klinke in die Hand, doch solche Tage sind seltener geworden. Die Verkaufszahlen sind seit Anfang Jahr zurückgegangen, denn «wo kann man mehr Tröpfchen austauschen als beim Küssen?»
Grösse und Material sind entscheidend
Die Condomeria ist ein «HIV-Chind», sagt Erika zur Gründung des Ladens Anfang der Neunzigerjahre. Sie hat «das grosse HIV-Sterben» miterlebt. Der Schutz vor Krankheiten stand von Anfang an im Vordergrund. Heute habe das Virus seinen Schrecken verloren. Dadurch schütze man sich wieder weniger, und in der Folge gingen die Zahlen der Geschlechtskrankheiten wieder massiv in die Höhe. Die Pille war der Befreiungsschlag für Frauen durch den eigenen Schutz vor ungewollten Schwangerschaften: «Aber die Pille nützt einen Scheiss gegen Geschlechtskrankheiten!» ruft Erika aus. Es finde darum wieder eine Rückbesinnung auf Kondome statt. Viele Frauen merkten zudem, was die Pille physisch und psychisch mit ihnen macht. Und: «Praktisch alle sagen, wenn sie die Pille absetzen, haben sie wieder mehr Lust auf Sex.»
Die Kundschaft lässt sich gerne von Erika Knoll beraten und profitiert von ihrem Know-how. In der Apotheke gibt es beispielsweise Kondome nur bis Grösse 57, «und wem dies zu klein ist, der wurstelt sich durch und denkt, das müsse so sein», sagt sie. Die Condomeria bietet Grössen von 45 bis 69 an. Ein Gummi müsse vor allem bequem sein. Erika vergleicht ihn mit zu kleinen und drückenden Schuhen: «Da würdest du auch lieber barfuss gehen!» Zudem kommt es auf das Material an: So gibt es Alternativen zu Latex, wie etwa Körperwärme leitende Materialien, um das Kondom nur als einen «Hauch von Nichts» zu spüren, erzählt Erika.
Die Scham ist noch nicht überwunden
Vieles hat sich seit der Gründung des Ladens in der Münstergasse verändert. Während das Lädeli vor 31 Jahren bloss Kondome und Scherzartikel anbot, besitzt es nun ein umfassendes Angebot mit Spielsachen, Massageölen und Weiterem. Durch die Medien habe der Druck auf die Jugendlichen enorm zugenommen, bedenkt sie. Bilder, die in Pornos vorgelebt würden, setzten sich in den Köpfen fest. «Dabei geht es doch darum, herauszufinden, was du selbst gern hast!» Ihre Aufgabe sieht Erika Knoll unter anderem darin, den Kund*innen zu vermitteln, dass sie hier ganz normale Produkte kaufen. Die Scham sei immer noch ein Thema und werde es wohl immer sein, meint sie. Doch bei den Gleitmitteln habe ein Umdenken stattgefunden. Früher habe man gedacht, die Frau sei «frigide» oder «der Mann bringt’s nicht». Aber wenn es nicht klappt, könne dies diverse Gründe haben, so sei Gleitmittel heute Usus.
Die Condomeria war von Anfang an etwas Unkonventionelles. Erika nennt das Lädeli liebevoll ihr «kleines Biotop». Mit der Revolution habe es nicht funktioniert, es blieb bei der Biotop-Pflege. Die Zürcherin bietet auf kleinem Raum Platz für jegliche Bedürfnisse: «Du hast mein Sexleben bereichert!», habe ihr kürzlich ein Kunde gesagt – Erika Knoll lacht schallend!