Punk-Meditationen
Album — Eine weitere Ikone der sechziger und siebziger Jahre, die sich weigert, ihre Karriere an den Nagel zu hängen: Iggy Pop präsentiert mit «Free» ein Album, das nach «Post Pop Depression», seiner fulminanten Kollaboration mit Queens of the Stone Age, hoch antizipiert wird.
Ähnlich hohe Wellen wird «Free» nicht schlagen. Das liegt schon an der spärlichen Länge von 33 Minuten. Diese halbe Stunde ist zudem mit zahlreichen meditativen Soundcollagen angefüllt, die eher in einer der trendigen Mindfullness-Apps zu erwarten wären als auf einem Album des Punkrock-Gotts. Solche Soundexperimente mit melodiösen Bläsern und sedierenden Bässen lässt sich Iggy nicht verbieten, das macht er den Hörer*innen bereits im eröffnenden Titelsong klar, wenn er über düstere Saxofon-Soli hinweg mantrisch predigt: «I wanna be free.» Dabei hält er sich an eine Maxime, die er seine ganze Karriere hindurch befolgt hat: Dass Songtexte nicht mehr als 25 Wörter beinhalten sollten.
Iggys geölte Crooner-Stimme ist Beleg dafür, dass er nach Jahrzehnten nihilistisch-exzessiven Lebenswandels ein ruhigerer, gesetzter Künstler geworden ist. Er weiss, dass er seine noch immer wilden, zehrenden Tour-Auftritte nur mit Qi Gong, Meditation und Tee zu überstehen vermag. So rückt auch auf dem neuen Album der Punk in den Hintergrund. Sechs glimmernden Spoken-Word-Einlagen, zu denen auch die bemerkenswerte Interpretation des Dylan-Thomas-Gedichts «Do not go gentle into that good night» gehört, stehen bloss vier klassische Singles gegenüber. Von denen können nur das bläsergetränkte «Dirty Sanchez» und der furiose Track «Loves Missing» überzeugen. Nur hier vermag Iggys grandiose Gesangsleistung Energien zu entfesseln, die Reminiszenzen an die dreckigen, bahnbrechenden Zeiten der Stooges wecken.
So ist Iggy Pop mit «Free» zwar kein weiteres Opus Magnus gelungen, aber eine grossartig unkonventionelle LP, die sich Musikliebhaber*innen nicht entgehen lassen dürfen. Der Grand-père terrible des Punks treibt auch noch im sechsten Jahrzehnt seiner Karriere erfolgreich sein Unwesen.