Höllischer Sound seit 14 Jahren oder 686 Konzerten
Jeden Sonntagabend spielt das Aad Hollander Trio From Hell im Zürcher Helsinkiklub bei der Hardbrücke. Und das seit 2004.
Sonntagabend, irgendwann nach 21 Uhr. Die Strassen sind weitgehend leer, die Stadt ruhig. Doch neben der Hardbrücke, im kleinen Lokal namens Helsinki, scheint was los zu sein. Mal in kleinen Grüppchen, mal alleine unterwegs, zwängen sich immer mehr Menschen an der Barriere vorbei, die das Parkieren verhindern soll. Dann steht man draussen herum und raucht, nippt an einem Bier und schwatzt. Das Tor zum Raum ist offen, Musik dringt nach draussen. Drinnen donnern Rock’n’Roll-Akkorde durch die Baracke, die ersten Leute fangen an zu tanzen, ausgelassen, jede so, wie sie will, und jeder so, wie er sich wohl fühlt.
Alles kann, nichts muss
Plötzlich teilt sich der vordere Teil des Publikums in zwei Reihen und beginnt koordiniert erst in die eine Richtung, dann in die andere Richtung zu tanzen. Rechts, rechts, links, links, nach vorne, nach hinten, Vierteldrehung. Neugierige versuchen, sich die Schrittfolgen zu merken und gesellen sich dazu. Erfahrenere nehmen sie in ihre Reihen auf und helfen bei der Koordination. Ein Anzeigen der Tanzrichtung mit den Fingern auf Hüfthöhe, angedeutete Schrittzahlen: Es geht nicht lange, bis auch die Neuen den Tritt gefunden haben. Dann kündigt der Gitarrist Heinz eine halbstündige Pause an. Seine Stimme klingt wie jene des Radiomoderators Zack in «Down by Law». Also eigentlich wie jene von Tom Waits, denn der spielt Zack. Lachend verteilt sich die Menge, einige aus dem Publikum grüssen die Musiker und Musikerinnen, die von der Bühne steigen und sich unter die Leute mischen. Die Stimmung ist familiär und friedlich, man scheint sich zu kennen.
Diskret und niederschwellig, darum für immer und ewig. Alles kann, nichts muss. Am sechshundertachtundsechzigsten Auftritt des Aad Hollander Trio From Hell im Helsinki geschieht nichts Besonderes, aber es ist etwas Einzigartiges in Zürich: Seit 2004 spielt das Trio wöchentlich im Helsinki seine vier Sets. Das Trio ist eine Institution und fordert nichts vom Publikum, ausser dass es tun und lassen soll, was es will.
Oder wie es der Gitarrist Heinz formuliert: «Entweder du gehst eine Band hören und trinkst dazu Bier oder du gehst ein Bier trinken und die Band ist eben auch noch da.» Das ist das Erfolgsrezept des Trios: Indem es sich nicht in den Vordergrund drängt, niemanden zu etwas zwingt und immer «seriös eine knappe halbe Stunde Pause macht», tritt es seit vierzehn Jahren mit ihrem drei Sonntage umfassenden Repertoire gut besucht auf.
Das Trio From Höngg
«Die Leute haben sich eigentlich erneuert, man könnte sagen, wir sind die einzigen im Saal, die älter werden», meint Bice, die Bassistin, schmunzelnd. Sie ist seit sechs Jahren auf der Bühne, seit vierzehn Jahren im Publikum dabei. Als sie noch zum Stammpublikum gehörte, gründete sie zusammen mit Freunden eine eigene Band, das Trio From Höngg, und übernahm eines Sonntags ein Set des Trio From Hell. Sie spielten zwei gecoverte und einen eigenen Song, welchen das Trio From Hell danach in sein Repertoire aufgenommen hat. Als der ursprüngliche Bassist Rienk erkrankte, war klar, dass Bice ihn ersetzt, bis er wieder gesund würde.
Die Bühne ist auch angeschrieben, wenn sie nicht spielen (Bild: Jonathan Progin).
Leider wurde er nicht mehr gesund. Einer seiner letzten Wünsche auf dem Totenbett war, dass Bice sofort in die Band aufgenommen würde und das Trio sofort wieder auftreten würde. Das war weder für die Musikerinnen und Musiker noch für das Publikum möglich, weshalb das Helsinki zum ersten Mal seit seiner Eröffnung sonntags während acht Monaten still blieb.
Tanzen und Lieben
Mit dem Line Dance erinnert sich das Trio an Rienk, denn er war es, der ihn einführte. Die synchronen Bewegungen erzeugen ein Miteinander, das niemanden ausschliesst, aber auch niemanden zum Mitmachen zwingt. Auch wenn es kein Paartanz ist, haben sich schon Paare beim sonntäglichen Tanz kennengelernt. Der Beweis: Das Trio From Hell hat schon auf mindestens fünf Hochzeiten von einstigen Stammgästen gespielt.
Die ehemalige Garage ist heute ein Klub: Das Helsinki bei der Hardbrücke (Bild: Stephanie Caminada).
Von den Anfängen und nicht vom Ende
Der Schlagzeuger Aad und der Gitarrist Heinz kennen sich seit langer Zeit. In den Achtzigern pendelten sie zwischen Aads Heimatland Holland und der Schweiz, spielten und lebten sowohl hier als auch dort in besetzten Häusern und gründeten verschiedene Bands. Zum ersten Mal traten sie im Theater Winkelwiese als Trio auf und feierten dort grossen Erfolg.
Als das Helsinki eröffnet wurde, vereinbarten sie mit dessen Besitzer, dass sie drei Monate spielen würden. Mit der Erwartung, es würde bald allen verleiden, starteten sie das Projekt. Mittlerweile wurden aus zwölf Sonntagen mehr als zwölf Jahre, Festanstellung und fünf Wochen Ferien inklusive. Das Trio From Hell spielt einfach weiter. Kein Ende in Sicht.