Comic: Beta ... civilisations Volume I

18. September 2014

Mit «Alpha ... directions», dem ersten Band seines Mammutprojekts über die Entstehung und Geschichte des Lebens, hob der Comic­zeichner und Illustrator Jens Harder die in Bildern erzählte Geschichte auf die Ebene eines kunstreichen Bildbandes. Dem menschlichen Willen zur graphischen Fixierung trägt er nun im kürzlich erschienenen zweiten «Band Beta ... civilisations Volume I» eindrücklich Rechnung.

Harder bewies bereits mit seinem ersten Band, dass er die Fähigkeit zur Gewichtung und ein Auge für Verweise besitzt. Während die Zeit vom Urknall bis zu den ersten Urmenschen jedoch kaum mehr Lesarten als die der Schöpfung und der Evolution zulässt, bietet der zivilisierende, kulturelle Mensch grossen Spielraum für Akzente und Verknüpfungen. Diesen nutzt Harder nun im zweiten Band, der die Entwicklung vom ersten Urmenschen zum Menschen der Hochantike zu Beginn unserer Zeitrechnung darstellt.

Zwischen den ersten Affen, die die Wälder verlassen, und den Menschen der Antike liegen sieben Millionen Jahre. Harder destilliert diesen Zeitraum auf ungefähr 350 Seiten beziehungsweise 2000 einfarbig kolorierte Schwarz-Weiss-Zeichnungen. Gold, Silber und Bronze wechseln sich nach jeweils 30 Seiten ab. Eigentlich wollte er jedem Zeitabschnitt gleich viel Raum im Buch einräumen, fand aber selbst, dass dieser Anspruch nicht zu erfüllen ist. Ein Glücksfall.

Hier wird Geschichte nicht in Jahreszahlen gezwängt, überwiegt nicht die verschriftete Sprache, die sachlich Wissenschaftlichkeit reklamiert. Stattdessen wirkt hier einer als Webender, der aus den verschiedensten Fäden ein stimmiges Panoptikum des ersten Teils der Menschheitsgeschichte bildet. Harder weiss zu schätzen und zu nutzen, was seit Tausenden von Jahren an Kunst produziert wurde. Von Höhlenmalereien über die Venus von Willendorf und griechische Vasen bis zu einem Pollock, Koons und Erzeugnissen der Populärkultur. Er hangelt sich nicht einem Zeitstrahl der Entwicklungen entlang, sondern greift vor und zurück, legt aus und wertet. Zuweilen wird es gar zynisch-politisch, wenn er beispielsweise den Teil über die Bändigung der Naturgewalt Feuer mit dem Bild eines Atompilzes beendet. Oder aber er begibt sich an die Grenze des politisch Korrekten, dafür mit Witz: Frida Kahlo mit ihrer Monobraue neben den ersten Menschenaffen.

Der grossformatige und hochwertige Band konfrontiert den Menschen mit sich selbst und dem, was ihn ausmacht. Er handelt von seiner Hab- und Neugier, seiner Fürsorge und seiner Aggression und schildert die Entwicklungen, die der Mensch, dem Lauf der Natur enthoben, an und um und mit sich vollzog. Den Strom der Zeit in einen Strom von Bildern projizierend, erlaubt die Lektüre dem Leser eine bildgewaltige und eindringliche Vorstellung vom Menschen als dem sich und seine Umwelt erschaffenden und vermessenden Wesen.

Jens Harder: Beta ... civilisations Volume I,

Carlsen Verlag, fester Einband, 368 Seiten.