Hat seine Lieblingsgegner am alten Arbeitsort: Weltwoche-Vize Philipp Gut. Patrice Siegrist

Die Rache des gechassten Assistenten

Der Weltwoche-Redaktor Philipp Gut schiesst immer wieder gegen Historiker der Uni Zürich. Dahinter steckt auch seine eigene Vergangenheit am Historischen Seminar.

19. November 2012

Carlo Moos liest die Weltwoche schon lange nicht mehr. Zu oft schon wurde der ehemalige Vorsteher des Historischen Seminars in Roger Köppels Blatt angegriffen. Auch Philipp Sarasin, der heutige Seminarvorsteher, ist nicht gut auf die Zeitung zu sprechen. Sein Foto prangte Anfang Oktober auf der Titelseite. Zusammen mit acht anderen Professoren wird er dort der «Irrlehre» bezichtigt. Der Titel des Artikels, der an der Uni für Aufregung sorgte: «Vor diesen Professoren wird gewarnt».

Moos und Sarasin, zwei Aushängeschilder des Fachs Geschichte an der Uni Zürich, mussten in den letzten Jahren von Seiten der Weltwoche immer wieder Kritik einstecken.

Weltwoche gegen Zürcher Historiker

Als sich Nationalrat und Weltwoche-Kolumnist Christoph Mörgeli im Juni 2009 als Leiter des Medizinhistorischen Instituts bewarb, schrieb die Weltwoche, Sarasin und Moos würden gegen Mörgeli Stimmung machen («Prof. Dr. Heckenschütze»). Die beiden Professoren, die damals in der Berufungskommission für den Posten sassen, wehrten sich mit einem Leserbrief.

Ein halbes Jahr später machte die SVP Stimmung gegen deutsche Professoren, schaltete Inserate: «Deutscher Filz macht sich breit». Moos und Sarasin solidarisieren sich zusammen mit zahlreichen anderen Professoren per Inserat in der NZZ mit ihren deutschen Kollegen. Die Antwort der Weltwoche liess nicht lange auf sich warten. Im Januar 2010 bezeichnete sie Moos' Schaffen als «provinziell» und liess kein gutes Haar an seiner Publikationsliste. Der Urheber der Weltwoche-Artikel war immer derselbe: Der heutige stellvertretende Chefredaktor Philipp Gut. Für Historiker Moos sind Guts Artikel nicht sachlich, sondern von «persönlichen Ressentiments» geprägt. Um diesen Vorwurf zu verstehen, müssen wir bis zum Beginn des Herbstsemesters 2005 zurückgehen.

Ein alter Streit

«Tanz am Abgrund» war damals der Titel eines Proseminars im Fach Geschichte zur Weimarer Republik. Der Titel passte nicht nur bestens zum Thema des Kurses, auch der Dozent tanzte am Abgrund. Denn sein Vorgesetzter klärte gerade ab, ob man ihm den Lehrauftrag entziehen und gegen ihn rechtlich vorgehen sollte. Der Dozent hiess Philipp Gut, sein Vorgesetzter Carlo Moos.

Auslöser dieser Abklärung war eine Titelseite des Tages-Anzeigers im Oktober 2005: «Schweizer Geschichte gibts an der Uni nur noch als Nebenfach», stand dort in grossen Lettern. Gut, der neben seiner Tätigkeit am Historischen Seminar für den Tages-Anzeiger schrieb, kritisierte die Uni Zürich als Ort, «wo Swissness nicht sexy ist». Hintergrund des Artikels war die Abschaffung des Hauptfachs Schweizer Geschichte. In seinem Artikel verknüpfte Gut diese Massnahme mit der Präsenz deutscher Professoren und erwähnte nicht, dass nur noch drei Studierende das Fach belegten.

Am Historischen Seminar war der Skandal perfekt. Dass Gut in einem Kommentar zu seinem Artikel in der gleichen Ausgabe die Zurückstufung der Schweizer Geschichte als «gerechtfertigt» bezeichnet und die deutschen Professoren aus der Schuld genommen hatte, half da auch nichts mehr. Gut habe nicht nur seine Stelle als Assistent ausgenutzt und interne Informationen veröffentlicht, sondern die Abläufe auch noch falsch dargestellt, lautete der Vorwurf des damaligen Seminarvorstehers Moos. Gut weist dies zurück: «Die Informationen waren öffentlich zugänglich.» Er habe lediglich kritische Fragen zum Lehrangebot gestellt und diese in einen grösseren Kontext eingeordnet. «Man prüfte sofort juristische Schritte und hätte mich am liebsten entlassen», erinnert er sich.

Moos' Kollege Sarasin regte sich derart über Guts Artikel auf, dass er ihm ebenfalls im Tages-Anzeiger nicht nur entgegnete, dass es gute Argumente für die Abschaffung des Hauptfachs Schweizer Geschichte gebe, sondern ihm auf diesem Wege auch mitteilte, was Guts Verhalten in der Privatwirtschaft zur Folge hätte: «Noch am selben Tag würden zwei freundliche, aber sehr bestimmte Herren vom Hausdienst den Mitarbeiter auffordern, seinen Schreibtisch zu räumen und den Schlüssel abzugeben.»

Professoren mieden Gut

Es kam nicht soweit. Geschichtsprofessor Jörg Fisch, bei dem Gut Assistent war, sah keinen Grund, ihn zu entlassen, und Seminarvorsteher Moos fand es unverhältnismässig, Gut den Lehrauftrag zu entziehen. Der Rechtsdienst stellte zwar fest, dass Guts Artikel eine Amtsgeheimnisverletzung darstellen könnte, riet aber ebenfalls von einer Anzeige ab, wie aus einer E-Mail hervorgeht, die der ZS vorliegt. Das Proseminar «Tanz am Abgrund» fand schliesslich wie geplant statt und Gut arbeitete weiter als Assistent. Doch ganz vom Tisch war die Sache noch nicht. «Gewisse Professoren grüssten mich fortan nicht mehr, wenn ich ihnen im Gang begegnete», erinnert sich Gut. Umso besser kam er bei seinem späteren Arbeitgeber an. Markus Somm kommentierte seinen Fall in der Weltwoche, wo Gut später eingestellt wurde und bis zum stellvertretenden Chefredaktor avancierte.

Vergleich mit Mörgeli

Gut sagt, dass seine Berichterstattung über Moos und Sarasin mit seiner Vergangenheit an der Uni nichts zu tun habe. Ganz vergessen hat er die alte Geschichte aber nicht. Eine Woche bevor der Professoren-Warn-Artikel erschien, publizierte er ein Essay über die damaligen Vorgänge. Er interpretierte sie als «Vorspiel zu den heutigen Ereignissen». Die Entlassung, die Sarasin in seinem Fall gefordert habe, sei im Fall Christoph Mörgeli eingetroffen. Trotzdem sagt Gut, er habe Sarasin für die Warn-Serie nur ausgewählt, weil er für «gewisse Modeströmungen der Geschichtswissenschaft, wie etwa die Diskursanalyse» stehe. Sarasin reagierte nicht öffentlich auf die letzten Artikel, fragt sich aber, warum Gut entgegen journalistischen Gepflogenheiten nie mit ihm gesprochen habe.

Moos wurde im Warn-Artikel nicht erwähnt. «Seit ich emeritiert bin, hat es etwas nachgelassen», scherzt er.