Das Remake von William Lustigs «Maniac» feierte seine Schweizer Premiere am Zurich Film Festival. La Petite Reine

Psycho-Killer … Qu'est-ce que c'est?

Der Horrorfilm fristet sein Dasein in den dunklen, schmuddeligen Hinterräumen der Filmbranche. Umso bemerkenswerter ist es also, dass das diesjährige Zurich Film Festival eine Perle dieses Untergrundgenres zeigt: In «Maniac» geht Schauspieler Elijah Wood hart zur Sache.

27. September 2012

Regisseur Franck Khalfoun bricht in seinem Horrorstreifen gleich zwei Regeln des guten Mainstream-Geschmacks: Zum einen verbindet der Franzose melancholisch schöne Bilder mit erschütternd blutigen Aufnahmen und zum anderen ist der Protagonist des Films, gespielt von Elijah Wood, nicht ein Gejagter, um den wir bangen müssen, nein, er selbst ist der Killer. Jede Aufnahme erleben wir aus seinem Blickwinkel. Die Kombination dieser Elemente – drastische Mordsequenzen, aufgenommen aus der Sicht des Killers – überschreitet zuweilen die Grenze des Erträglichen.

Das mit den blutigen Szenen war zumindest für Freunde des Genres schon abzusehen: In William Lustigs Original von 1980 wird mit dem Seziermesser kaum weniger zimperlich hantiert. Der Streifen wurde in etlichen Ländern verboten, nach seiner Veröffentlichung auf VHS-Kassette führte er die Liste der legendären «Video Nasties» an und bekannte Filmkritiker hetzten damals öffentlich gegen das blutige Filmchen. Joe Spinell spielt darin ein fettes, schwitzendes Schwein, das sein Messer zückt, um den Bordsteinschwalben des nächtlichen New Yorks den Garaus zu machen. Alleingelassen von der lieblosen Mutter, hetzt das Trauma aus Kindertagen den infantilen Killer durch die Strassen seiner Gotham City. Der Film ist klaustrophobisch, schmutzig und dunkel.

Alexandre Ajas Remake

Im Remake sticht die Neubesetzung des Hauptparts ins Auge: Wood ist kein keuchendes Monster im fleckigen Shirt, sondern ein introvertierter Mann auf der mörderischen Suche nach Liebesersatz. Und als Restaurateur von antiken Schaufensterpuppen weiss er, dass stille Frauen manchmal die besseren sind. Im verwinkelten Los Angeles macht er sich auf die Jagd nach seinem nächsten Opfer, bis er auf die hübsche Fotografin Anna (gespielt von der französischen Schauspielerin Nora Arnezeder) trifft, die seine Faszination für die leblosen Mannequins teilt.

Das Drehbuch zur Neuverfilmung schrieb Alexandre Aja. Als Regisseur von «Haute Tension» (2003) und «The Hills Have Eyes» (2006) versteht der Franzose sein Handwerk. Praktisch im Alleingang hat er das Horrorgenre in den vergangenen Jahren von den ewigen Asiahorror-Remakes und Klamaukfilmen à la «Scary Movie» (2000) abgebracht. Bei ihm wird der Schrecken greifbar, psychisch und echt. Als Regisseur hat er Kumpel Franck Khalfoun engagiert, der noch wenig Erfahrungen mitbringt. Trotzdem sind die Bilder gelungen, die drastischen Szenen sind nicht nur Mittel zum Zweck sondern fügen sich nahtlos in die Story ein. Besonders interessant ist der Einsatz der Kamera: Erst die effektvoll inszenierten Blicke in den Spiegel enttarnen den Mörder auch für den Zuschauer, sehen wir doch das gesamte Geschehen durch seine Augen. Elijah Wood spielt seine Rolle (zumindest die wenigen Male, die wir ihn zu Gesicht bekommen) brillant. Fein und schmal wie er ist, zeigt sich in seinem Blick der gesamte Horror, der in ihm steckt.

Ein Film für Genre-Freunde

Weniger gelungen sind die Szenen, die uns in die Vergangenheit des Mörders führen: Vereinsamt beobachtet der kleine Frank aus der dunklen Zimmerecke seine Mutter bei Drogenmissbräuchen und Exzessen. Ein wenig aufgesetzt wirken diese Einstellungen, weil sie beschreiben, was wir dank inneren Monologen schon lange wissen. Das Original von 1980 erspart uns diese allzu offensichtlichen Ausflüge in die Kindheit des Mörders und bleibt so atmosphärisch dichter.

Trotzdem ist der Film gelungen und sehenswert. Fern vom Mainstream bietet er einen frischen Ansatz und ist mit seinem Thema 1980 genau wie 2012 brandaktuell. Die Macher dieser Art von Kino beweisen Mut, werden sie von Filmkritikern aufgrund ihrer Filme doch konsequent gemieden. «Maniac» wird nie ein grosses Publikum finden – dafür ist er schlichtweg zu gewalthaltig. Eines verdient hätte er aber.

Regie: Franck Khalfoun

Drehbuch: Alexandre Aja, Grégory Lavasseur, C.A. Rosenberg, Joe Spinell

Laufzeit: 90 Minuten

Filmstart: 03.01.2013

Schauspieler: Elijah Wood, Nora Arnezeder, America Olivio

Für wen: Wer schon nach einer Folge CSI kaum einschlafen kann, sollte die Finger von diesem Streifen lassen: Es wird skalpiert, geschlitzt, gestochen und geknebelt. Und das alles nicht zu knapp.