Sie kämpfen gegen Fallpauschalen. Pascal Ritter

Der weisse Block

Medizinstudierende sind nicht fürs Demonstrieren bekannt. Doch die drohenden Fallpauschalen treiben sie auf die Strasse.

23. Februar 2011

Spät noch sitzen Aylin, Sergej und David im Careum. Nichts Aussergewöhnliches für Medizinstudierende. An diesem Abend sprechen sie mit ihren Komilitonen aber nicht wie sonst über Prophylaxe und Prostata, sondern über Podien und Proteste. Am 13. Dezember sah man die drei mit 60 Mitstudierenden vor dem Rathaus Transparente schwenken. In weissen Kitteln und mit Stethoskop bewaffnet versuchten sie sich beim Kantonsrat Gehör zu verschaffen.

Systemwechsel

DRG. Eigentlich nur drei harmlose Buchstaben. Bei den Medizinstudis sorgen sie für rote Köpfe. Die Abkürzung steht nämlich nicht nur für «Diagnosis Related Groups», sondern für einen Systemwechsel im Schweizer Gesundheitswesen. Ab 2012 soll in den Spitälern nicht mehr nach tatsächlichem Aufwand, sondern nach sogenannten Fallpauschalen abgerechnet werden. Für eine Blinddarmentfernung wird den Spitälern dann immer der gleiche Betrag überwiesen, unabhängig von Dauer und Verlauf des Eingriffs. Die Befürworter von «Swiss DRG» versprechen sich davon mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und Effizienz. Mit dieser Einschätzung sind unsere drei Mediziner in spe überhaupt nicht einverstanden. «Bis jetzt übernahmen die Kantone die Kosten unserer Ausbildung. In Zukunft soll auch dies über die Fallpauschalen geschehen», sagt Sergej (4. Jahr), «doch niemand kann uns sagen, wie das funktionieren soll». Aus diesem Grund hat er im Verband der Medizinstudierenden, SWIMSA, eine Motion für ein DRG-Moratorium eingereicht. Die Delegiertenversammlung stimmte zu. Zusammen mit Aylin, David und weiteren Mitstreitern rief er die Gruppe «Medizinstudierende für ein DRG-Moratorium» ins Leben. Diese organisierte die Kundgebung vor dem Rathaus und plant nun ein Podium und eine Demonstration. An der Fakultät sammelten sie zudem Unterschriften für eine Petition, die rege unterschrieben wurde.

Portemonnaie versus Patienten

Die Sorge um die Ausbildungsfinanzierung ist nicht das Einzige, was die Medizinstudis verunsichert. Aylin (4. Jahr) sorgt sich um die «professionelle Autonomie» der Ärzte. «Manager werden uns in den Spitälern auf die Finger schauen. Die entscheiden dann ökonomisch, wie eine Behandlung verlaufen soll». David (6. Jahr) spricht von «grossen ethischen Fragezeichen»: «Wir haben alle den Eid des Hippokrates geleistet, der das Wohl des Patienten ins Zentrum stellt. Im neuen System dreht sich aber alles nur noch ums Portemonnaie.» An ihrer Kundgebung haben sie darum symbolisch Hippokrates zu Grabe getragen. Am 5. März wollen sie wieder demonstrieren, dieses Mal vor dem Unispital.