Nur selten hat das Flaschenspiel ein Nachspiel: Wenige erreichen das Schlafzimmer. Philip Schaufelberger

Verbotene Liebe

Aus der Bewunderung für Dozierende wird manchmal mehr: Liebeskummer, eine Affäre oder gar eine Ehe. Doch das Thema ist tabu.

4. Mai 2009

Als ich meine Nachforschungen vor einigen Wochen enttäuscht abbrach, war ich wenigstens um eines schlauer: Es gibt noch Sachen, über die man einfach schweigt. Und das mitten im Leuchtturm der Aufklärung, der Universität.

Ich suchte nach Beziehungen zwischen Dozierenden und Studierenden. Ich wollte keine intimen Details, keine Skandalgeschichten. Ich wollte wissen, was Studierende dazu bringt, ihre Lehrenden zu verehren – und umgekehrt. Ich war neugierig, wie die Betroffenen damit umgehen, einerseits gleichberechtigte Liebespartner zu sein und sich an der Uni, wenns hoch kommt, im Vorlesungssaal gegenüber zu stehen.

Doch ich stolperte in ein Minenfeld, in dem Sehnsüchte, unerfüllte Erwartungen und viele Missverständnisse das offene Gespräch verhindern. Auf das Mail, mit dem ich in meinen Uni-Bekanntenkreis nach Informationen fragte, kam eine giftige Antwort zurück: Was das Thema uns eigentlich anginge.

Gossip und Entrüstungen

Die Geschichten, auf die ich dann stiess, waren Gerüchte, die bei der Kaffeepause die Runde machen. Da war ein Seminarbschlussessen unter Germanisten. Der charmante Assistent war dabei. Eine Studentin hatte ein Auge auf den Dozierenden geworfen. Sie schmiss sich an ihn ran. In der letzten Minute verfrachtete die Studienkollegin die Liebestrunkene ins Taxi, das sie nach Hause fuhr.

Und da war vor einigen Wochen ein weiterer Seminarabend der etwas anderen Art. Mit dabei der Professor und zwei Assistierende. Irgendwann ging die Runde zum Flaschenspiel über. Beim weiteren Nachfragen scheiterte ich.

Da an der Uni nichts zu holen war, wich ich ins Internet aus. In der anonymen Cyberwelt wird offener über das Thema geredet. Auf dem Liebesforum Lovetalk breiten Studierende ihre Begehren und Affären mit Dozierenden aus. Der Thread verzeichnet hunderte Einträge. Eine Studentin erzählt von der Leidenschaft zu ihrem älteren und verheirateten Professor: «Er wirkt auf mich so sympathisch, trotz seines Erfolges auf dem Boden geblieben.» Sie wage es nicht, sich ihm zu offenbaren. Es gehe ihr immer schlechter, da keine Hoffnung bestehe ihn näher kennenzulernen. «Es ist gleichzeitig Leid und Erfüllung», schreibt die Unglückliche.

Die anderen Forumsteilnehmer raten ihr ab, trotzdem die Nähe zu suchen. «Du bist diejenige, die hinterher den Kurs nicht mehr besuchen kann, weil die Sache voll in die Hose gegangen ist.» Eine Leidensgenossin, die bereits ihren Schauspiellehrer und ihren Fussballtrainer «flachgelegt» haben will, analysiert das Phänomen treffend: «Dieses Ding ist eine typische Frauensache. Der Rettertraum. Der auf dem geliebten Gebiet erfahrene Mann wird bewundert für alles, was er kann und weiss und wie er es vermittelt – und hat noch Charme dabei.»

«Tabuzone in mehrerlei Hinsicht»

«Man verliebt sich leichter in seinen Lehrer, wenn man für seine Leistung anerkannt werden will», weiss Ueli Frischknecht, Leiter der psychologischen Beratungsstelle der Uni und ETH. Ihm sei aber noch nie ein solcher Fall zu Ohren gekommen. «Die Betreuung in den unteren Semestern ist so wenig persönlich, dass es wohl selten zu intensiven Beziehungen kommt», sagt Frischknecht.

Ich gab die Hoffnung nicht auf, auch in Zürich fündig zu werden. Ich hörte von einem Jus-Studenten, der mit seinem Professor verbandelt ist. Er wollte nichts sagen. Ich schrieb zwei Dozenten an, die für ihre vielen Verehrerinnen bekannt sind. Einer antwortete: «Es handelt sich um ein überaus sensibles Thema. Und zugleich ist es ein Bereich, in dem man mit falsch verstandenen Aussagen Menschen unglaublich verletzen kann, ohne es zu wollen.» Er erwägte, Auskunft zu geben. Zwei Tage später schrieb er: «Nach reiflicher Überlegung: Nein, lassen wir das doch lieber sein.»

Auch der andere Dozent sperrte sich: Es sei nett zu hören, Fans zu haben, aber er merke das nicht. Im Übrigen halte er sich beim Umgang mit Studierenden strikte an die an der Uni geltenden Regeln, insbesondere an das Reglement zum Schutz vor sexueller Belästigung.

Darunter fallen nach Paragraf 4c auch «sexuelle Annäherungsversuche, die mit Versprechen von Vorteilen oder Androhungen von Nachteilen einhergehen.» Wenn es um Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden geht, ist der Verdacht der Ausnutzung oder Begünstigung nicht weit. Letztes Jahr beispielsweise bat ein Augsburger Professor eine Studentin in sein Büro, legte seine Hände auf die ihren und bot ihr einen Tausch an, weil sein Leben so langweilig sei: Sex gegen gute Noten. Das Gericht brummte dem Professor in diesem März 8000 Euro Busse und eine zehnmonatige Bewährungsstrafe auf.

Gemäss Rechtsdienst der Uni Zürich ist man hier von derartigen Fällen verschont geblieben. Brigitte Tag, Beauftragte gegen sexuelle Belästigung an der Uni, nimmt die Dozierenden aber präventiv in die Pflicht: «Sie sind gefragt, in der Zusammenarbeit mit den Studierenden die professionelle Ebene nicht zu verlassen.» Sie sollen auf zu hohe Erwartungen, welche Studierende an sie stellen, nicht eingehen.

Die Studentin wird zur Ehefrau

Die Anbandelei zwischen Studierenden und Dozierenden muss weder von niederen Motiven getrieben sein noch in Schuldgefühlen und Liebeskummer enden. Eine Studentin schwärmt auf dem Internetforum Erdbeerlounge vom jungen Professor, den sie sich angelacht habe. Sie hätten an einem Projekt eng zusammengearbeitet und abends oft noch ein Bier getrunken. «Er saß neben mir und sein Bein lehnte sich gegen meins», schreibt sie. Danach habe sie der Professor nach Hause gefahren, sie habe ihn nach oben gebeten. «Als die Tür hinter uns zu war, fiel er sofort über mich her.» Die Studentin ist zuversichtlich: «Von mir aus kann das so weitergehen.»

Und manchmal entsteht aus der riskanten Liebschaft der Bund für das Leben. Die Heirat zwischen Studierenden und Dozierenden ist wohl eher selten, aber es gibt sie. Ich hörte von einem Professor der Uni Zürich, der eine ehemalige Studentin geehelicht hat. Aber auch er wollte nicht darüber reden.