Sigrid Barten und Hans Harder haben sich im Vorlesungssaal kennengelernt. Lukas Messmer

Romanze im Vorlesungssaal

Sie hält ein glühendes Referat über die Passionsblume. Er hat sich zu Hause ein Labor eingerichtet. Die 64-jährige Sigrid Barten und der 77-jährige Hans Harder studieren mit Leidenschaft.

27. Oktober 2008

Etwas skeptisch guckt mich der ältere Herr an, als ich ihn für ein Interview anfrage. Doch die Frau an seiner Seite knufft ihn mit dem Ellenbogen und sagt so gleich für beide zu.

Zum ersten Mal aufgefallen sind mir die beiden in einem Bontanik-Praktikum. Unauffällig und motiviert arbeiteten sie an den Aufgaben. Und so liebevoll wie sie dabei miteinander umgingen, wirkten sie wie ein frisch verliebtes Pärchen. Nachdem die Frau ein glühendes Referat über die Passionsblume (nomen est omen) gehalte hatte, fragte ich mich, wer diese Leute sind. Schick gekleidet und eloquent, schien es nicht so, als ob Erstausbildung ihr Motiv zur Teilnahme an diesem Kurs wäre.

Hans Harder hat einen beeindruckenden Lebensweg hinter sich. Nach dem Musikstudium wirkte er als Redaktions- und Musikleiter bei Radio DRS. In seinem Alter könnte er sich ohne schlechtes Gewissen zurücklehnen und dem Müssiggang frönen. Solch geistiger Stillstand kommt für diesen Mann jedoch nicht in Frage, zu viel gibt es noch zu entdecken. Deshalb wandte er sich nach seiner Pensionierung den Naturwissenschaften zu, zunächst der Mathematik. Danach habe er sich fünf Jahre der Informatik und der künstlichen Intelligenz gewidmet, erzählt er stolz.

Zu seinem 75. Geburtstag hat er sich zuhause ein kleines Labor eingerichtet, weil er sich schon immer für Biologie interessierte. Dort forscht er, mikroskopiert und besucht seit einiger Zeit botanische Vorlesungen,«aus reinem Interesse, ohne Abschlussziele.»

Fernab von Leistungsdruck und Kreditpunktesammelwut verwirklicht er sich in bewundernswert ernsthafter Weise einen Lebenstraum als Forscher.

Nicht minder beeindruckend ist der Lebensweg von Sigrid Barten. Geboren in Hamburg, studierte sie dort Kunstgeschichte. Bis sie promoviert hatte, habe es ewig gedauert, sagt sie lachend und erzählt von ihrem Studium. Sinnkrisen habe sie gehabt, wollte sogar das Studium abbrechen.

Jugendstil und Happyend

Die Spezialisierung auf das Kunsthandwerk führte Sigrid Barten schliesslich nach Zürich. Als Konservatorin war sie lange Zeit am Museum Bellerive tätig, organisierte Ausstellungen und schrieb Kataloge zum Kunsthandwerk des Jugendstils. Besonders Motive der Natur in der Kunst hätten sie dabei immer fasziniert. Aus dieser Faszination entstand der Wunsch, mehr über die Botanik zu erfahren. Also besucht sie seit der Pensionierung ausgewählte Biologievorlesungen an der Uni Zürich.

In der Vorlesung habe sie dann Hans kennengelernt, erzählt Sigrid Barten mit einem jugendlichen Blitzen in den Augen. Aus dieser Uni-Bekanntschaft sei dann aber mehr geworden. Sigrid Barten und Hans Harder haben sich ineinander verliebt. Die beiden schauen sich an und sie fügt lächelnd hinzu: «...und seit fünf Monaten sind wir verheiratet.» Was am Irchel unter den Studierenden bisher nur ein Gerücht war, ist jetzt offiziell – amtlich offiziell.