Ruedi Stäuble in der Bibliothek des Mittellateinischen Seminars. Lukas Messmer

«Eine Altersdurchmischung ist bereichernd»

Ruedi Stäuble (65) hat Klassische Philologie und Mittellatein studiert und ging dann in die Privatwirtschaft. Nun ist er als Auditor wieder an der Uni.

27. Oktober 2008

Ein zweites Vollzeitstudium in einem neuen Bereich möchte sich Ruedi Stäuble nicht antun. Was er momentan mache, halte ihn genügend fit. «Zumindest geistig», schiebt er schmunzelnd nach. Für den körperlichen Ausgleich spiele er Golf. Der 65-Jährige ist einer von vielen Auditoren an der Uni Zürich. Seit seiner Pensionierung vor acht Jahren besucht er am Mittellateinischen Seminar jedes Semester eine Veranstaltung.

Manchmal singt er auch

In diesen Veranstaltungen fällt Ruedi Stäuble durch sein fundiertes Wissen über die Liturgie der katholischen Kirche auf. Er ist einer, der sich regelmässig meldet, um Zusatzinformationen zu liefern. Wenn es um einen bestimmten Choral geht, kann es schon mal vorkommen, dass er einfach anfängt zu singen – als langjähriger Leiter einer Choralscola hat er die nötige Übung dazu. Er genies-se die irrsinnig familiäre Atmosphäre, die am Mittellateinischen Seminar herrsche, erzählt Stäuble. Rasch habe er festgestellt, dass man als Hörer von den Dozierenden und den Mitstudierenden bereitwillig akzeptiert werde.

Die Durchmischung von jüngeren und älteren Studierenden finde er sehr gut. «Wenn die Chemie stimmt – und das tut sie hier – dann ist eine solche Altersdurchmischung bereichernd», fügt er hinzu. Er fühle sich auch den jüngeren Mitstudierenden gegenüber nicht überlegen, sondern schätze den Austausch. Nicht immer gehörte Ruedi Stäuble am runden Tisch im Mittellateinischen Seminar zur älteren Generation. 1962 begann er an der Uni Zürich Klassische Philologie und Mittellatein zu studieren. Nach fünf Jahren schloss er mit dem Lizenziat ab und fing an, als Mittelschullehrer zu arbeiten. Ziemlich schnell merkte er jedoch, dass ihm das organisatorische Umfeld an der Schule nicht passte. Es lag also keineswegs an den Schülern, dass er sich für einen Berufswechsel entschieden habe, betont Stäuble. Doch der ständige Kampf zwischen den einzelnen Fachlehrern, das sei nicht seine Welt gewesen. Zu jener Zeit hatte die Schweiz gerade Hochkonjunktur und Stäuble packte die Gelegenheit beim Schopf. In der NZZ veröffentlichte er ein kleines Inserat, worauf er einige Offerten bekommen und das Angebot der damaligen Winterthur Versicherungen angenommen hat. Nach einem Crashkurs hat er dort 30 Jahre als Personalausbildner gearbeitet.

Zurück zu den Wurzeln

Dass Stäuble nun wieder zu seinen akademischen Wurzeln zurückgekehrt ist, ist kein Zufall. Einerseits galt sein wissenschaftliches Interesse schon immer der Gregorianik und somit dem Mittelalter. Und vor einigen Jahren lief ihm zufällig ein ehemaliger Studienkollege und damaliger Professor fürs Mittellatein, Peter Stotz, über den Weg. «Da habe ich mir gedacht, warum auch nicht?», lacht Stäuble. Seither ist er regelmässig an der Uni anzutreffen, trinkt auch mal im Lichthof einen Kaffee, beobachtet den Trubel – und geniesst es, keinen Punkten nachjagen zu müssen.