Guarana-Nüsse aus dem brasilianischen Urwald. PD

«Guarana-Reto» sei Dank

Vor knapp zehn Jahren gabs bei uns noch kein Red Bull und dergleichen. Ein kluger Kopf hat Guarana in die Schweiz gebracht. Und damit einem Studenten die zu kurz geratene Lernzeit aufs Liz erleichtert.

11. März 2008

Es war Sommer. Da lag er halt meistens am See. «Bei schönem Wetter, die Zeit mit Lernen verbringen – spinnst du eigentlich?» Plötzlich waren es aber nur noch wenige Monate bis zu den Liz-Prüfungen. Ein straffer Plan musste hin. Drei Monate lang, sechs Tage in der Woche von morgens um sieben Uhr bis Mitternacht lernen, allenfalls Sonntags ausruhen. Das rigorose Programm beinhaltete jeweils eineinhalb Stunden lernen, gefolgt von einer halben Stunde Pause. «So hab ich das dann drei Monate lang durchgezogen, bis zur Abschlussprüfung.»

Iwan* lernte damals über eine Freundin den «Guarana-Reto» kennen, dessen richtigen Namen niemand kannte. Man sagte, dieser habe erstmals Guarana aus dem brasilianischen Dschungel in die Schweiz gebracht. Er kam von einer Reise aus Brasilien zurück und führte einen Sack mit reinem Guarana-Pulver mit sich. Iwan war offen für dessen Vorschlag, die Substanz wegen deren konzentrationsfördernder Wirkung zu schlucken – schliesslich war die Zeit knapp. Und ausserdem: «Es stellte sich rasch heraus, dass du irgendwann an den Punkt gelangst, an dem einfach nichts mehr in den Kopf reingeht. Dann hab ich mit Guarana angefangen. Damit lässt sich mehr reinbeigen», erzählt Iwan. Ob es Ende der Neunziger Jahre eine verbreitete Methode war, sich mittels Guarana geistig fit zu halten, kann Iwan nicht mehr sagen. Er erinnert sich nur noch, dass in seiner Lerngruppe auch eine Kollegin auf den natürlichen Muntermacher zurückgriff.

Die Erfahrung im Umgang mit dem Wundermittel der Natur hätte jedoch noch gefehlt. «Zu Beginn hab ich einfach mal einen halben Teelöffel geschluckt», erzählt Iwan. Dass das Zeugs ausserordentlich bitter war, hat ihn gar nicht gross gestört. Er betrieb damals noch Spitzensport, wo er es gewohnt gewesen sei, irgendwelche Substanzen zu schlucken. Solange die Wirkung da war, war der Geschmack nebensächlich. Aber bei der ersten Dosis Guarana war der Effekt schlicht zu heftig: Schweissausbrüche, Nervosität, Unruhe. Er liess sich aufklären und reduzierte die Menge. Von da an gehörte Guarana zum Lernprogramm.

«Das Verrückte bei so intensiven Lernsequenzen ist ja, dass die Konzentration irgendwann nachlässt. Du wirst plötzlich durch jeden kleinen Pieps abgelenkt.» Iwan ist das nicht mehr passiert, sobald er sich mit Guarana gedopt hat. «Da bist du ständig fokussiert.» Er glaubt, dass er vor allem dank dem Mittel aus dem brasilianischen Dschungel fähig war, den ganzen Lernstoff in so kurzer Zeit aufzunehmen.

*Name von der Redaktion geändert.

Information

Guarana enthält eine Vielzahl von Wirkstoffen, darunter auch Koffein. Dadurch, dass das Koffein in Guarana an verschiedenste Stoffe gebunden ist, wirkt es ganz anders als bei Kaffee. Somit wird es erst im Dünndarm freigesetzt und gelangt sozusagen dosiert in die Blutlaufbahn. Das heisst auch, dass es über längere Zeit Wirkung zeigt, weil es immer wieder freigesetzt wird. Im Kaffee dagegen ist das Koffein frei in Wasser gelöst und gerät vom Magen direkt in die Blutbahn.

Guarana war bis 2004 wegen seiner Wirkung auf der Dopingliste. Es scheint dank seinen Inhaltsstoffen sowohl im anaeroben sowie im Ausdauerbereich zu klaren Leistungssteigerungen zu führen. Verschiedene wissenschaftliche Studien schreiben der nur in Brasilien vorkommenden Nuss gesundheitsfördernde Effekte zu. So zum Beispiel: Abbau von Thrombose, Antidepressiva, Verbesserung der Aufmerksamkeit, Verlangsamung der Zellalterung, und weiteres.