Linda

Billy Ray, 2007.

10. März 2008

Sie zog an ihrer Zigarette und schenkte sich etwas Martini nach. «Arschloch! Scheiss Mongo! Blöder Macho-Spiesser! Prinzessin!» Lindas Wut war nicht zu bremsen. So redet eine, die sich die Liebe wegschreien will. Geht aber nicht. Und schliesslich braucht jeder sein Arschloch. Es war für mich trotzdem ein Genuss, diesen Hassergüssen zuzuhören. Denn was sie da über ihren Ex hervorpresste, war ja alles vollkommen richtig. Ich konnte Linda nur beglückwünschen, dass sie von einem Mann verlassen wurde, der seinen Stammbaum wie eine Reliquie verehrt, Wollerau für das Monaco der Schweiz und Schwule für verkappte Heteros hält, die sich heimtückisch an seine schöne Freundin heranmachen wollen. Denn: «Die können mir nichts vormachen. Ich kenne die. Jeder Mann steht auf Frauen.» Seine Menschenkenntnis war verblüffend, seine Eifersucht kolossal. Also traf Linda ihre heterosexuellen Schwulen-Freunde im Geheimen und hörte ihrem Liebsten zu, der ihr zu Hip Hop-Musik heldenhaft erklärte, wie denn das ginge mit den Frauen, wie man die berühren müsse, damit sie einem verfielen. Dann noch den Calimero-Küken-Blick aufsetzen und ein bisschen über Design quatschen, über illegale Partys und Wasserpfeife rauchen auf seiner Dachterrasse im Kreis 5. Und wenn es kalt wurde, konnte er ihr immer noch seine American Apparel-Jacke um die Schultern legen, und die Schlacht war schnell gewonnen. Bis jetzt hatte das immer geklappt. Auch bei Linda, die jetzt Martini trank und sich verarscht fühlte, weil «unter dem Strich die Rechnung nicht aufgegangen ist.»

Nach zwei Wochen Heulkrampf rief mich Linda an und teilte mir mit, dass sie wieder mit ihrem Macho-Spiesser zusammengekommen sei. «Er will sich ändern, will mich wieder zurück. Er hat so gezittert, dass ich einfach nicht nein sagen konnte.» Ich zog an meiner Zigarette und dachte an dieses übergewichtige Engelchen mit seinen Pfeilen, das so wahllos unter den Menschen herumschoss, nur um sich danach ins patschige Fäustchen lachen zu können.

Liaison Dangereuse