Pillen zum Frühstück: Michael verdiente 4000 Franken. Lukas Messmer

«Ich musste immer alles aufessen»

Michael fehlte die Zeit und das Geld. Also machte der ETH-Student an einer zweiwöchigen Studie mit und schluckte täglich Cholesterintabletten.

22. Februar 2008

«Worum es genau ging, wusste ich anfangs noch nicht. Ich meldete mich auf eines dieser Inserate im ‹20 Minuten›. Die Firma Swiss Pharma Contract suchte Leute für eine Studie.

Die Versuchsstation befand sich in einem Bürogebäude in Allschwil bei Basel. Als ich das erste Mal zur Voruntersuchung dort war, waren wir im dritten Stock. Die Klinik lag im obersten (fünften) Stock, was ziemlich schräg war, aber es hatte Spitalbetten und wirkte einigermassen überzeugend.

Im Voraus ging es ja hauptsächlich darum, die Anforderungen zu erfüllen, dann rufst du mal an und kriegst ein Tonband zu hören, das herunterleiert, was du alles darfst und was nicht. Das dauert drei, vier Minuten und du denkst ständig, ja, ok, hab ich nicht, ok, könnte mal aufhören. Und am Schluss wird eine weitere Nummer genannt, auf die du anrufen sollst, wenn du das Gefühl hast, es stimme für dich. Bei der Voruntersuchung bekam ich dann ein Dossier, in dem alles über den Ablauf stand. Man konnte jederzeit aufhören und es wurde erklärt, was die Versicherung übernehmen würde und wer das Experiment überhaupt in Auftrag gegeben hatte.

Schliesslich war ich zwei Wochen dort und bekam jeden Morgen eine Tablette. An drei Tagen kamen die Ärzte alle zwei Stunden, um Blut abzunehmen, den Puls, Blutdruck und die Körpertemperatur zu messen. Das waren jeweils die schlimmsten Tage. Aber was heisst schon schlimm – jedenfalls war dann immer etwas los. An den anderen Tagen kamen sie jeweils zwei, drei Mal am Morgen vorbei und nachher hatte man den ganzen Tag für sich, was angenehmer war. Bei mir ging es um Cholesterin, es gibt offenbar gutes und schlechtes Cholesterin und die Tabletten sollten das gute erhöhen. Dazu gab es sechs Testreihen, bei denen jedes Mal die Dosis erhöht wurde. Ich war in der dritten. Sie haben uns gesagt, dass es in den ersten beiden Testreihen so gut gelaufen ist, dass sie sogar die erhöhte Dosis halbieren konnten. Das hat meine Hemmungen nochmals abgebaut.

Medikationstouristen aus Berlin

Bei dieser Studie waren wir 15 Personen. Es sind nicht immer so grosse Gruppen. In der Klinik waren auch Einzelpersonen, die für eine zwei-, dreitägige Studie anwesend waren und es gab auch kleinere Gruppen. Es ist auch nicht allzu üblich, dass es 14 Tage dauert. Obwohl, diese spezifische Studie ging nach uns weiter, es kam wieder eine Gruppe.

Als ich ankam, war das Erste, was mir auffiel, dass es von Deutschen nur so wimmelte. Es waren sogar welche von Berlin da, sie kamen mir vor wie irgendwelche Medikationstouristen. Wir waren nur zwei aus der Region. Der andere war aber kein Student, sondern hatte vor kurzem ein Auto gekauft, das noch einige Reparaturen benötigte und das Geld dafür verdiente er mit diesem Experiment. Ausser mir war nur ein anderer Student dort, der war so um die dreissig. Sowieso waren die meisten um die dreissig Jahre alt und älter. Am Anfang habe ich nicht so viel erwartet und mir einfach vorgenommen, mich für die zwei Wochen einzurichten, aber mit der Zeit kam ich dennoch in Kontakt mit den anderen. Dabei habe ich gemerkt, dass viele dabei sind, die das schon zum x-ten Mal machen und in ganz Europa herumtouren.

Radiologische Methoden

Die zwei Wochen waren auch eine gute Gelegenheit, um zu lernen, denn mit irgendetwas muss man sich ja unterhalten und zuhause hätte ich bestimmt nichts in der Hinsicht gemacht. Zuerst habe ich das auch durchgezogen, aber mit der Zeit wurde das immer schwieriger, denn das Angebot war nicht schlecht, wir hatten Billardtische und konnten fernsehen oder DVDs ausleihen. Wir durften auch spazieren gehen, aber nur in Begleitung einer Krankenschwester. Einerseits um zu gewährleisten, dass wir nicht herumrennen, da wir keinen Sport treiben durften, andererseits um aufzupassen, dass wir nicht an irgendwelche unerlaubten Nahrungsmittel herankamen. Man musste auch immer alles aufessen, damit für alle die gleichen Bedingungen herrschten. Kaffee und Cola haben wir zum Beispiel auch nicht gekriegt.

Es gab gleichzeitig auch eine Studie, bei der Krebsmedikamente getestet wurden. Dabei waren auch radiologische Untersuchungsmethoden im Spiel. Die Probanden waren selbst nicht erkrankt, was mich ziemlich schockiert hat. Solche Sachen würde ich sicher nicht machen. Aber es ist auch immer schwer abzuschätzen. Bei meinem Experiment hatte ich jetzt das Gefühl, dass es kein Problem war, aber ich kann natürlich nicht sagen, was es jetzt genau bewirkt oder ausgelöst hat und ob nach zwei Monaten alles wieder in Ordnung ist. Oder ob trotzdem noch Auswirkungen folgen. Als ich es gemacht habe, hatte ich das Gefühl, ‹ok, jetzt ziehe ich das durch, aber es ist das erste und letzte Mal.› Ich denke, ich habe auch nicht so bald wieder die Gelegenheit dazu.

Dieses Mal haben die Bedingungen einfach gestimmt, ich hatte Zeit, es war viel Geld in nur zwei Wochen und ich hatte auch noch die Gelegenheit zum Lernen.

Ich fühle mich jetzt aber nicht unbedingt wohl genug, um es noch einmal zu machen oder sogar weiter zu empfehlen. Ich habe zwar nichts gemerkt, aber es ist halt doch mein Körper und alles will ich ihm jetzt auch nicht antun müssen. Dann verdiene ich mein Geld lieber mit anderen Dingen. Trotzdem war es eine gute Erfahrung und es war auch sehr lustig. Mit ein paar der anderen Probanden habe ich noch immer Kontakt. Wir waren zwei Wochen eingesperrt. Danach hatten wir noch vier ambulante Termine und unternahmen jeweils auch noch etwas miteinander.»