Duell: Porno

22. Februar 2008

Dafür

Kaum zu glauben, dass es heute noch Leute gibt, die ein Problem mit Pornographie haben. Schliesslich hatten sie über 2000 Jahre Zeit, sich daran zu gewöhnen. Die «unzüchtige Darstellung» ist fast so alt wie die Menschheit selbst und hat sich in ihrer Entstehungsgeschichte, die bis in die Vorantike zurück reicht, zum erfolgreichsten Kulturgut überhaupt gemausert. Kein Wunder, hat sie doch die sexuelle Erregung des Betrachters zum Ziel. Und Hand aufs Herz, was gibt es Schöneres?

Erstaunlicherweise sind es meist Frauen, die sich mit aller moralischer Macht gegen die Pornographie stellen und sich dabei als Sprachrohr des unterdrückten, viel zu wenig geachteten weiblichen Geschlechts aufspielen. Oder dann sind es scheinheilige Männer, die entweder eine verkorkste Kindheit erleben mussten oder durch ihre züchtige Haltung die Chance wittern, sich bei den Frauen einzuschleimen. Mit missionarischem Eifer und dogmatischer Selbstgerechtigkeit bringen sie so über 50 Prozent der Menschheit in Verruf. Doch sie irren sich, wenn sie denken, dass diese letztendlich frauenfeindliche Prüderie den grössten Anklang in der Masse findet, denn die meisten Frauen und Männer auf dieser Welt betreiben die Unzucht mit Freuden, was die Menschheit erst überleben lässt. Wieso also sollte die Darstellung derselben so falsch sein? Man muss sie sich doch nicht antun, wenn man nicht will! Doch das reicht der lustnegierenden Fraktion der Porno-Gegner offenbar nicht. Ihre Abneigung gegen das Leben wollen sie auf ihre Umwelt übertragen, wenn’s sein muss, mit Gewalt. Dabei übersehen sie die positive Wirkung der Pornographie: Ich bin überzeugt, dass sie so manches Teenagerleben erst erträglich gemacht und so manche Ehe gerettet hat.

Die Pornographie auf ihre alltägliche, allgemein verständliche Ebene zu reduzieren, wird ihr nicht gerecht, sie kann sehr viel mehr als ein Amateur-Porno oder Schmuddelheftchen sein, was die pornographischen Passagen in Henry Millers oder Philippe Djians Werken beweisen, wie Letzterer in einem Interview erklärt: «Das Vokabular von Pornographie, das emotionale Niveau, ist sehr, sehr stark. So etwas zu schreiben ist nicht einfach. Ich meine, man kann doch Pornografie nicht denen überlassen, die Pornofilme und -heftchen produzieren. Man kann sie doch nicht denen überlassen, die keine Ahnung haben, wie man Action kreiert. Lies Miller, Mann, das ist wunderbar!»

Dagegen

Wer sich der Pornographie verschreibt, kann bös auf die Welt kommen. Die Pornographie lehrt junge Männer, dass die Welt extrem viel besser sei, als sie dann wirklich ist.

Der Konsum von Pornographie hat viele nicht zu unterschätzende negative Auswirkungen. So lernt man zum Beispiel Dinge, die einfach nicht stimmen. Bevor ich erstmals richtigen Sex hatte, dachte ich ernsthaft, dass alle Frauen beim Beischlaf die Highheels anbehalten. Dass auch alle Frauen den Geschmack von Sperma lieben und über keinen Würgereflex verfügen. Ich habe auch nicht gewusst, dass es auch kleine Brüste gibt. Ich habe gemeint, dass alle Mädchen am Tag ihres 18. Geburtstages wilden Sex haben wollen und dass weibliches Schamhaar gar nicht existiert. Nach fünf Jahren pubertären Pornokonsums war auch ich der festen Überzeugung, dass Sekretärin und Krankenschwester die einzigen Frauenberufe sind und dass bei denen Netzstrümpfe zur Berufskleidung gehören. Dass es überhaupt männliche Asiaten gibt, weiss ich erst, seit ich Donghua Li das erste Mal am Fersehen gesehen habe. Zudem hat mich die Pornographie an meiner anatomischen Normalität zweifeln lassen. Dass auch Penislängen von unter 25 Zentimetern nicht unbedingt Missbildungen sind, hat mir dann mein Hausarzt erklärt. Als meine erste Freundin mir eines Tages eröffnete, sie hätte jetzt ein paar Tage Blutungen und könne keinen Sex haben, bin ich sehr erschrocken. Ich wusste nicht, dass es sowas gibt. Später bekam sie manchmal auch überraschend Kopfweh, wenn ich mit ihr schlafen wollte. Ich war völlig unvorbereitet. Und diese bequeme Missionarsstellung habe ich überhaupt nicht gekannt.