Männliche Trophäen

Hier berichtet unsere Sexkolumnistin aus fremden Betten über vertraute Geschehnisse.

Anahí Frank (Text) und Mara Schneider (Illustration)
10. April 2025

Verklärter Blick  – Ich liebe Männer. Ich liebe Männer mit der gleichen Hingabe und Tiefe, wie Künstler ihre ­Musen lieben. Also sehr oberflächlich und vor allem für ihre Versinnbildlichung von Klischees. Natürlich liebe ich einzelne Männer auch als Individuen. Aber ich muss zugeben, oft vergucke ich mich auch in das, was sie verkörpern: geschwungene ­Wimpern über dunkle Augen, sonnengebleichte Locken, eine schiefe Nase, der Flaum, der ­sichtbar wird, wenn sie ihre Arme heben… Am liebsten wäre ich ­Michelangelo und würde einen ganzen Tag lang eine einzelne Vene aus dem Marmor hauen. ­Dabei sind es nicht nur die ­schönen Formen und Farben, die mich in den Bann ziehen. Sondern noch viel mehr das, was sie ­verheissen. Unter meinem ­romantisierenden Blick wird ­jeder Muskel zur Metapher, jedes ­Zucken der Mundwinkel ein ­verräterisches Zeichen seines ­Innenlebens. Ich blicke in eine mürrische Miene und sehe stilles, männliches Leiden; die letzten Tränen, die er sich auf der ­Schultoilette aus den Augen ­gewischt hat, die erste Frau, die ihm das Herz ­gebrochen hat. Was für Casanova die ­Sexualität einer Frau ist, ist für mich die emotionale Verletzlichkeit eines Mannes. Sagenumwoben, gut behütet, kostbar. Wenn ich mit einem Mann schlafe, ­bewundere ich sein hartes ­Äusseres, aber eigentlich suche ich nach dem weichen Inneren, um es dann in meinen Erinnerungen auszustellen wie eine Jagdtrophäe. Wie all diese männlichen Künstler vor mir, genügt es mir nicht, die Schönheit meines ­begehrten Objekts zu bewundern. Ich will sie fassen, ­kategorisieren, mir zu eigen ­machen. Hier der ­verträumte Dichter, dort der ­sensible ­Muskelprotz, weiter ­hinten der spitzbübische Student… Mein Problem ist, dass ­Männer selten so sind, wie ich sie mir vorstelle. Wenn ich wirklich mit einem Mann schlafe, wenn ich ihm nahekomme, wenn ich ihn zum fünfzigsten Mal gefragt habe: «Was denkst du?», stelle ich fest, dass seine ­mürrische Miene mehr mit ­Rückenschmerzen und einer schlecht gelaunten Vorgesetzten zu tun hat, als mit Weltschmerz und einer unstillbaren Sehnsucht nach mehr Verbundenheit. Mit seiner männlichen ­Mystik zerfällt auch mein ­schürzenjägerisches Bravado. Er ist nicht das Sinnbild der ­Männlichkeit und ich nicht ­diejenige, die es erobert. Stattdessen bin ich nur eine Frau, die sich schon wieder verknallt hat.