Das Polykum liegt im Sterben

Der VSETH will Geld sparen und setzt als erstes beim Polykum an. Die Zeitung reagiert mit eigenen Sparmassnahmen: Ab sofort erscheint sie nur noch als PDF

4. November 2024

Ach, Polykum. Einst ein stolzer Teil der ZS, damals, als unsere Eltern noch die Diskotheken unsicher machten und die Zeitung nicht selten als provisorisches Zigarettenpapier dran glauben musste. Doch dann – der grosse Sprung in die Unabhängigkeit. Warum? Nun, das Polykum wollte unpolitisch sein.

Aber von Anfang an begleitete das Polykum ein grosses Problem: die Finanzen. Schon damals türmten sich Schulden in Höhe von rund 70’000 Franken auf. Der VSETH drückte beide Augen zu. Doch blicken wir auf die Gegenwart, sehen wir ein anderes Bild: Die Schulden haben mittlerweile die Summe von 100’000 Franken pro Jahr erreicht – man muss ja schliesslich mit der Inflation Schritt halten. Gleichzeitig verblasst das einst makellose Image der Zeitung. Skandale wie rassistische und transphobe Kreuzworträtsel, die offenbar niemand geprüft hat, oder allgemein die abnehmende Qualität der Beiträge, tun ihr Übriges.

ETH bald ohne eigene Studizeitung?

Es brodeln die Gerüchte: Der VSETH streiche dem Polykum das Budget, und als wäre das noch nicht genug, soll die Zeitung nur noch als PDF erscheinen. Da fragt man sich: Was ist hier eigentlich los?

Diese Frage stellte ich mir als enthusiastische Zeitungsliebhaberin, die zwar in den letzten Jahren Zeitungen bloss noch gelegentlich und vorzugsweise bei längeren Toilettensitzungen aufgefaltet hat. Ansonsten konsumiere ich die aktuellen Nachrichten fast ausschliesslich  über diverse Instagram-Kanäle. Neugierig darüber beschloss ich, der Sache auf den Grund zu gehen und die Polykum-Redaktion mit meinen Fragen zu konfrontieren. Warum hat der VSETH dem Polykum das Budget gekürzt? «Der VSETH hat uns immer finanziert und der VSETH finanziert uns auch weiter, das Budget ist nicht komplett gestrichen», versichert mir die neue Leitung des Polykums, Lea Künstler, im kleinen Redaktionsbüro. Das Problem sei der finanzielle Verlust. Im letzten Jahr habe der VSETH 60’000 Franken Verlust für das Polykum budgetiert. Daraus seien dann 100’000 Franken geworden.

Mehr Engagement, weniger Papier

Lea Künstler ist erst seit Mai dieses Jahres die Präsidentin des Polykums. Der vorherige Vorstand? Komplett zurückgetreten, die Gründe bleiben nebulös. Es wird gemunkelt, es habe eine chaotische Auseinandersetzung zwischen dem alten Vorstand und dem VSETH gegeben. Jetzt ist der Vorstand fast leer und das Polykum wird umgekrempelt.Es wird keine gedruckten Ausgaben mehr geben, die am Ende nur als Brennmaterial dienen und alles andere als umweltfreundlich sind. Stattdessen gibt es PDFs mit Beiträgen, die mehr über die ETH und das Studierendenleben berichten. «Ein Grossteil der Kosten entsteht durch das Drucken und Versenden. Tatsächlich denke ich, dass mehr Leute das Polykum lesen werden, wenn es in ihrem E-Mail-Postfach landet und sie während der Vorlesung gelangweilt sind – ein Klick genügt», erklärt Lea Künstler mit Zuversicht.

Doch der Umstieg von Print auf Online-Ausgaben allein reicht nicht.  Der grosse Umbruch bringt auch die Suche nach neuen Mitstreiter*innen mit sich, die diesen Aufschwung mitgestalten wollen. Auch möchte man das Feedback der Studierenden stärker einbeziehen. Ein Ende der Verlustgeschichte des Polykums scheint in Sicht, eine Geschichte, die seit den Anfängen dieser Zeitung anhält. So steht das Polykum am Scheideweg – zwischen Papier und Bildschirm. Man darf gespannt sein, wohin die Reise des Polykums geht und ob ich die zukünftigen Artikel in meinem Instafeed finde.