Klimapolitik im Faktencheck
Aus der Forschung — Künstliche Intelligenz wird oft als treuer Begleiter der Desinformation gesehen. Forschende der Uni Zürich haben Tools entwickelt, die Fake News in puncto Klimakrise entlarven sollen.
Die Klimapolitik der Schweiz schreitet trotz Vereinbarungen wie dem Pariser Klimaabkommen nur langsam voran. Um die Klimaerwärmung zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen, müssten Firmen in nachhaltige Technologien investieren. Um umweltpolitische Instrumente wie Gesetze oder Anreize durchzusetzen, brauchen sowohl Politiker*innen wie auch stimmberechtigte Bürger*innen Transparenz.
Aktuell geschieht das Gegenteil: Das Internet ist mit Informationen überhäuft, unterschiedliche Politiker*innen schmeissen mit «falschen Fakten» um sich und ein Grossteil global agierender Firmen betreiben Greenwashing. Genau diesem Problem widmet sich das KI-Tool Climinator. Der Climinator wurde von Markus Leippold, Finanzprofessor an der UZH, zusammen mit seinem Forschungsteam entwickelt. In einem TED-Talk, den Leippold vergangenes Jahr in Paris hielt, erzählt er, wie das Team auf die Idee kam, Fake-News mit künstlicher Intelligenz zu entlarven.
Mit KI gegen Greenwashing
Das Projekt begann damit, dass Leippold und sein Forschungsteam Umweltberichte von Firmen analysieren und auf ihren Inhalt prüfen wollten. Da es jedoch unmöglich ist, diese Menge an Texten von Menschen lesen zu lassen, entwickelte das Team eine KI, die Umweltberichte analysiert und den sogenannten «Cheap-Talk-Index» ermittelt. Dieser sagt aus, ob und in welchem Mass ein Unternehmen «verschleiernde Sprache» verwendet und welche konkreten Aussagen im Bericht stehen. Dadurch soll der Index Aussenstehenden zeigen, wie glaubwürdig die Umwelt-Rhetorik einer Firma ist. 2020 haben Leippold und sein Forschungsteam etwa 1500 Umweltberichte von Firmen analysiert, wovon jeder Zweite einen «Cheap-Talk-Index» von mehr als 50 Prozent aufwies. Dies bedeutet, dass mindestens die Hälfte der Aussagen in den Berichten zu vage waren, um tatsächlich eine Kernbotschaft zu enthalten, was seitens der Firmen auf Greenwashing hindeutet.
Der Name des KI-Instruments ist eine Anspielung auf den Film «Terminator». Anstatt Menschen sollen Fake-News eliminiert werden. Der Climinator soll nämlich nicht nur Firmen beim «Greenwashing» entlarven, sondern auch dazu beitragen, die Klimadebatte faktenbasierter zu machen. So kann der Climinator verschiedene Perspektiven einnehmen – auch die der Klimawandelleugner*innen. Diese werden dann durch einen Diskussionsprozess in wissenschaftlich fundierte Schlussfolgerungen überführt. Passend dazu der Leitsatz aus Leippolds Ted-Talk: «How can we solve the climate crisis if we are only told a fraction of the truth and not the whole truth?»
Ein Schritt in die richtige Richtung
Er geht davon aus, dass Politiker*innen anders handeln würden, wenn sie die ganze Palette an Fakten zur Verfügung hätten, und diese mit Argumenten hinterlegt wären. Im Internet ist dies leider selten der Fall. In einem Interview mit UZH-News spricht Leippold davon, dass «googeln» gar nicht so einfach ist. Es gibt unendlich viele Einträge im Internet zu den verschiedensten Themen und es wird immer komplexer herauszufiltern, welche Informationen stimmen und welche nicht. Der Climinator soll helfen, die Informationsschlacht auszufechten und Fragen spezifisch und wissenschaftlich basiert zu beantworten.
Ein anderes Tool der Forschungsgruppe, das ebenfalls bereits verwendet werden kann, ist «ChatClimate». Der Aufbau erinnert an ChatGPT: Es kann eine Frage gestellt werden, welche die KI direkt beantwortet. Bei «ChatClimate» werden im Gegensatz zu ChatGPT nur ausgewählte Informationen eingespiesen. Dabei handelt es sich um dieselben Quellen, mit denen das Team den Climinator trainiert hat. Insofern sind die Antworten wissenschaftlich fundiert.
In einem Paper zum Climinator betont das Forschungsteam, dass ihre Forschung gewissen Einschränkungen unterliegt und eine sorgfältige Interpretation erfordert. Dennoch birgt der Ansatz ein grosses Potenzial, welches weiter ausgebaut werden kann. Die Forschenden erhoffen sich ebenfalls, dass solche Tools in anderen Kontexten, einschliesslich politischer Faktenprüfung und rechtlicher Bereiche, zukünftig öfter verwendet werden.
Zum Schluss betont das Paper, wie wichtig der kostenlose Zugang zu den entwickelten Tools ist. So lässt sich sicherstellen, dass Wissen und Transparenz nicht ein Privileg der Oberklasse sei, sondern für alle verfügbar und zugänglich sei. Ob die Künstliche Intelligenz tatsächlich unsere Rettung in Sachen Desinformationen sein wird, lässt die Zukunft offen. Leippold und sein Forschungsteam machen aber auf jeden Fall schon einen Schritt in diese Richtung.