Lichtleck
Ich war enttäuscht. Meine neue Occasionkamera, die ich in einem zwielichtigen Fotoladen zu einem Spottpreis gekauft hatte, war nicht mehr lichtdicht. Ich regte mich kurz über meine Naivität auf und trauerte dann meinen Ferienbildern nach, die nun allesamt mit breiten weissen Streifen durchzogen waren. Ich musste irgendwann zugeben – oder redete es mir ein, dass die Lichtlecke gar nicht so fehl am Platz waren. Der hipsterige Nostalgieeffekt, den ich mit Analogfotografie ohnehin suchte, wurde so nochmals bestärkt. Manchmal sorgten die Streifen für interessante Kompositionen, wenn sonst nicht viel auf dem Bild los war. Nur schade, wenn sie genau über dem Gesicht meiner besten Freundin landeten.
Irgendwie poetisch, dass meine Erinnerungen nur von verzerrten Bildern belegt werden. Die Vorstellung, dass ein Moment für ewig auf Silberemulsion festgehalten werden könnte, bleibt eine Illusion. Jetzt werden mich die Abzüge auch nie vom Gegenteil zu überzeugen versuchen. Vielleicht sind Analogfotos so beliebt, weil sie unserem eigenen Erinnerungsvermögen so ähnlich sind: Zuerst suchst du dir einen schönen, aufregenden oder sonstwie festhaltewürdigen Moment aus. Dann trägst du ihn mit dir rum, bis er in die Entwicklung geht und du lebst zwischenzeitlich weiter. Eines Tages kommen die Negative aus dem Labor zurück und unterwegs hat sich etwas verändert. Es besteht auf einmal ein bemerkbare Distanz. Ich wünschte, ich könnte zusehen, wie sich meine eigenen Erinnerungen über die Zeit verändern, so wie es meine Fotos auch tun: Einige Stellen verblassen, während andere weiterhin überbelichtet bleiben.