Diese drei Drag-Queens wollen dem Publikum etwas Neues bieten. Stefan Tschumi

Drag eine Bühne bieten

Mit «Late Night Drag» bereichet die Komikerin Ágota Dimén zusammen mit den Drag-Queens Vicky Goldfinger, Milky Diamond und Odetta Hella Grand die Zürcher Comedy-Szene.

16. Februar 2020

«Willkommen zur Late Night Drag!» verkündet die Schauspielerin und Komikerin Ágota Dimén im Miller’s an diesem Samstagabend, woraufhin die drei glitzernd-schillernden Drag Queens Vicky Goldfinger, Milky Diamond und Odetta Hella Grand mit viel Kunstnebel und Partybeats die Bühne betreten. Es wird gekichert und geneckt und vor allem Ágota Dimén nimmt mit Sprüchen wie «Sagt mal Mädels, ist es eigentlich sehr teuer, so billig auszusehen?» so manch Facette des Drag-Queen-Seins auf die Kappe. Sie leitet den Abend, stellt Fragen und Aufgaben, die jeder Queen die Chance geben soll, sich dem Publikum vorzustellen.

Ágota ist dabei nicht nur einzige non-Queen auf der Bühne, sondern auch der Kopf hinter der Idee zum Stück. Schon immer fasziniert von den Drag Queens und ebenso frustriert von einer fehlenden Plattform für diese Kunst beschloss sie gemeinsam mit ihren drei Freundinnen, inklusive des Regisseurs Piet Baumgartner, dieses Projekt zu starten.

«Late Night Show nach unserem Gusto»

«Wir machen wirklich das, was wir auch selber gucken wollen würden. Es ist Chaos und es ist abstrakt und die nächste Ausgabe kann wieder ganz anders sein» sagt Piet über das Konzept der Show. Tatsächlich sei es eine Art Suppe, zu der jede und jeder was beifüge und am Ende gäbe es dann «Late Night Show nach unserem gusto» , so Ágota. Dazu gehören sowohl Comedy als auch Talk-Show Elemente sowie Lip-Sync, die Paradedisziplin der Drag Queens.

Das Bühnenbild ist dabei einfach gehalten – es prunkt der Titel der Show in pink grellen Neon-Lettern im Hintergrund und eine weisse Ledercouch rundet das Talk Show-Feeling ab. Eben gestikulieren Milkys Hände noch unter den Achseln Vickys dramatisch hindurch, während diese ein sarkastisches Plädoyer zur Homophobie abgibt. Im nächsten Moment werden Leitern bestiegen, um eine Leinwand hochzuhalten, die ein Sketchvideo von Ágota beim Backen zeigt. Das Thema ist in diesem Fall die Integration von Ausländer*innen in der Schweiz – logisch.

Jede Show ist etwas anders. Serafin Fischer-Schulthess

Jede Show ist etwas anders (Bild: Serafin Fischer-Schulthess).

Kein roter Faden

«Ich finde es einfach toll, dass wir hier eine Plattform bekommen, wo wir auch mal experimentieren können», sagt Vicky zum Format. Darüber muss man manchmal schmunzeln, wenn einer der vielen Stil– und Themenbrüche des Abends nicht ganz so elegant gelingt. Die Show ist sprunghaft, wirkt zusammengewürfelt und unvorhersehbar – der berühmte rote Faden scheint etwas aufgezwirbelt.

Der Unterhaltsamkeit des Abends tut dies dennoch keinen Schaden. Zum einen lebt die Show auch gerade von diesen Momenten, zum scheint die Mehrheit des Publikums dankbar für einen Abend voll Leichtigkeit. Begeistern tun dabei vor allem auch die kleinen Momente, wie der Charme der Queens bei den Interaktionen mit dem Publikum. Dieses gibt sogar freiwillig Schal und Glitzerjackett auf, mit welcher die Damen anschliessend im Wettbewerb zur Verkleidung als Geschlechtskrankheiten auftreten. Der Überraschungspreis: ein Ganzkörperkondom.

Mehr Drag Queens, bitte

Während manche dieser Witze mit Originalität und erfrischenden Irrsinn überzeugen, bleiben sie an anderen Stellen auf flacher Ebene stecken. Dafür kommen in solchen Momenten auch Menschlichkeit hindurch – irgendwie ist allen bewusst, dass hier gerade etwas ausprobiert wird. Fliegende Geldscheine und gold-glitter Regen bilden bei Milky’s Lyp-Sync Performance den heutigen Abschluss – das Publikum erhebt sich und klatscht freudig.

Bei Vickys Monolog kommt Gesangstalent hindurch, von Odettas aufmüpfiger Attitüde möchte man gerne mehr sehen und Milky’s verrückte Videos machen neugierig auf mehr Hintergrundinfo – die Show dominiert an diesem Abend jedoch Ágota. Bei so vielfältiger Programmgestaltung geht die Individualität der Queens ein wenig unter – für eine Ära der Drag Queens braucht es definitiv noch mehr persönlichen Entfaltungsraum auf der Bühne, wie auch immer das aussehen mag.

Ein Format mit noch mehr Raum für Drag Queens wäre wünschenswert. Serafin Fischer-Schulthess

Ein Format mit noch mehr Raum für Drag Queens wäre wünschenswert (Bild: Serafin Fischer-Schulthess).

«How to become famous in Tiefenbrunnen» – Die vierte Folge von Late Night Drag wird am 22. Februar 2020 im Millers Zürich aufgeführt.