Die Kinobar ist auch ein Treffpunkt für die Bewohner*innen von Männedorf. Michelle Bernet

Ein Kino fürs Dorf

Das Kino Wildenmann in Männedorf hat gerade mal 71 Sitzplätze. Dafür überzeugt es mit seiner Filmauswahl.

19. November 2019

Zwischen dem Zürichsee und dem Bahnhof Männedorf steht das Kino Wildenmann. Es ist nicht nur das einzige Kino im 10'000-Seelen-Dorf, sondern auch das einzige zwischen Rapperswil und Zürich. Betritt man das Gebäude, findet man im unteren Stock des Kinos sogar eine kleine Bar. «Wir sind das schönste Kino am rechten Zürichseeufer, und das darf ich auch so sagen», sagt Geschäftsführerin Denise Abderhalden. Das Kino Wildenmann hat 71 Sitzplätze, davon 66 Kinositze und fünf Klappstühle. Die Sitzplätze werden nicht zugeteilt. Stattdessen sichert man sich seinen Platz mit einem der Foulards, die beim Eingang in einem grossen Korb bereitliegen.

Vom Hotel zum Kino

Das Kino entstand aus dem Hotel-Restaurant Wildenmann – was den ungewöhnlichen Namen erklärt. 1983 wurde ein Filmclub für den Kinosaal des Hotels gegründet. Doch elf Jahre später brannte das Gebäude ab. Es handelte sich um Brandstiftung. Bis heute bleibt unklar, wer damals das Feuer gelegt hatte. Vier Jahre später entstand aus dem Hotel schliesslich das heutige Kino. Ein Mahnmal, das an den Brand von 1994 erinnern sollte, musste wieder entfernt werden. Grund war die fehlende Baubewilligung. Auf der Gedenktafel stand: «In Memoriam dem unbekannten Brandstifter».

Das Ziel des ersten Filmclubs war es, ausgesuchte Filme in der Originalversion zu zeigen. Heute stellt der künstlerische Leiter Christian Pfluger das Programm zusammen. Der Fokus liegt auf hochwertigen Filmen, mit dem Schwergewicht auf Schweizer Filmen. Die Verantwortlichen wollen sich von grossen Kinos abheben und zeigen daher keine Blockbuster. Actionfilme zeigen sie selten, und Horrorfilme gibt es gar nie zu sehen.

Stars in Männedorf

Einmal im Monat lädt das Kino ein*e Regisseur*in im Rahmen einer «Matinée’» ein, an der vorzugsweise Schweizer Dokumentarfilme gezeigt werden. Selbst ein Filmfestival findet jeweils alle zwei Jahre im Wildenmann statt. Beim letzten Mal wurde auf dem kleinen Platz vor dem Gebäude ein Openair-Kino aufgebaut. Sogar ein roter Teppich wurde aufgerollt. Knapp 200 Stühle hatten vor der Leinwand Platz.

Das Publikum komme meist aus der Region, vor allem aus Männedorf selber, sagt Abderhalden. Anonymität ist hier ein Fremdwort: Wer ins Kino Wildenmann geht, muss davon ausgehen, auf andere Besucher*innen aus dem Dorf zu treffen. Meist seien es Familien mit Kindern, Teenager oder Senior*innen, sagt sie. Studierende kämen eher selten ins Wildenmann, für sie seien die Kinos in der Stadt wohl attraktiver als das Dorfkino.

Mehr Kinogänger*innen verzeichnet

Das Kino ist schon mehrfach ausgezeichnet worden. Im Jahr 2004 wurde es unter die besten fünf Arthouse-Kinos des Landes gewählt und auch das Bundesamt für Kultur hat ihm mehrere Preise verliehen.

Das Wildenmann ist eine Genossenschaft. Fast 600 Personen besitzen ein Stückchen des Kinos. Zusammen mit Gönnerverein, Gemeindeunterstützung und der Hauptsponsorin ZKB finanzieren sie das kleine Unternehmen. Die letzten Jahre waren für die Kinobranche allgemein etwas schwierig, so Abderhalden. Doch konnten sie seit Ende letzten Jahres einen Aufschwung verzeichnen, der bis jetzt anhält.