Musik, die euphorisiert und in den Arsch tritt: Die Ape Rites 2019 in Brigels. Armando Cristiani

Guter Punk, aber molto dolce

Auf ihrem ersten Album beweisen die Ape Rites aus Zürich, dass Punk auch humorvoll und subtil sein kann.

24. Februar 2019

Zu ihrem fünfjährigen Bestehen haben Mauro, Jonny und Luca von den Ape Rites sich und ihrem Publikum ein Geschenk gemacht. Und was für eines! Eine Schallplatte voller knackiger und lustvoller Songs. «Dolci» heisst das Album, das nur bei der Band gekauft werden kann und erst noch auf 300 Stück limitiert ist. «Dolci» nennt man in Italien Süssigkeiten oder Nachspeisen, und das könnte man auf den ersten Blick gut und gern für den unpassendsten Albumtitel in der neueren Geschichte des Punks halten. Bitter wie stehengelassenes Bier wäre eine Geschmacksrichtung, die die Stereotypen dieses Genres weit besser bedienen würde. Aber die Ape Rites entsprechen ohnehin nicht dem Bild einer typischen Punkband. So passt die Süsse vielleicht nicht zum Genre, aber doch sehr zur Band. Das zeigt sich allerdings erst, wenn die Platte aus dem Karton befreit ist und auf dem Plattenteller liegt. Zuerst fordert aber noch etwas anderes die Aufmerksamkeit.

Ein bisschen aufmüpfig muss es sein

Das Cover der Platte zeigt nämlich einen dicken, kleinen Buben, der ziemlich angepisst in die Kamera schaut, obschon man ihn an die italienische Riviera gesetzt, in eine Badehose gesteckt und ihm ein Gelato in die Hand gedrückt hat. «Er täubelet», würden Schweizer Eltern zu solch einer Szene sagen – er ist sauer ohne ersichtlichen Grund. Wahrscheinlich einfach aus einer Laune heraus. «Täubele», das ist ein sehr treffendes Wort für die Szene auf dem Coverbild, aber auch treffend für eine Punkband, die samt und sonders aus Akademikern besteht und deren Proberaum sich im Gemeinschaftszentrum beim Bucheggplatz befindet: Viel gibt es eigentlich nicht, wogegen sie sich auflehnen könnten, aber ein bisschen aufmüpfig soll es halt gleichwohl sein. Diese höchst ironische Selbstdarstellung verrät, dass es den Ape Rites allzu ernst nicht sein kann mit ihrem Punk und macht damit umso mehr Lust, die Platte anzuhören.

«Eine Tour wäre fein. Aber bitte nicht zu lang.»

Während das schwarze Vinyl auf dem Plattenspieler zu drehen beginnt und die Nadel in den ersten Rillen knistert, steigt die Vorfreude. Der bisherige Hit der Ape Rites ist der «Autocorso», eine übermütige Hymne an alle Fussballfans, die nach einem grossen Sieg ins Auto steigen und die Stadt mit ihrem Hupen und Johlen in den Wahnsinn treiben. «Wir sind Fans und wir sind verrückt», brüllt es in dem Song, der gerade simpel genug ist, um das Mitbrüllen des Publikums herauszufordern. Das Schlagzeug spielt schnell, der Bass hüpft und die Gitarre heult. Und schon macht sich Hochstimmung breit. Genau diese sinnlose, aber äusserst ansteckende Euphorie machte den Reiz bisheriger Auftritte und Aufnahmen der Ape Rites aus.

Nachäffer erster Klasse

Und «Dolci» tut der Hochstimmung keinen Abbruch. Denn da geht es sogleich in derselben Manier weiter. Im eröffnenden «Big Parking Lot» besingt Frontmann Mauro ein Parkhaus, so gross, wie er noch nie eines gesehen hat, und fantasiert über brennende Autos. Das aber nicht, um eine anarchistische Revolution, den Untergang der Konsumgesellschaft oder vergleichbaren Blödsinn zu proklamieren, sondern um einen Hamburger zu futtern und den Fahrzeugen beim Brennen zuzusehen. Schon in diesen ersten Hörmomenten werden klassische Punkmotive wie angezündete Autos zitiert, um dann mit einem sympathischen Augenzwickern ins Absurde überführt zu werden. Was dabei herauskommt? Ein energiegeladenes, knapp zweiminütiges Stück, das sich nach einem typischen Punksong anhört, aber keiner sein will. Gerade diese Verweigerung verleiht dem Song etwas Trotziges – und macht ihn so eben doch zu einem veritablen Punksong.

Dieses Spiel mit dem Zitieren und Umdeuten hat bei den Ape Rites Konzept. Schliesslich haben sich die drei Zürcher nicht ohne Grund einen wunderbar zweideutigen Namen gegeben. «Ape Rites» können affige Bräuche sein – zum Beispiel «take your medicine and get wasted», wie auf «Satan Kids» vorgeschlagen. «To ape» ist aber auch ein Verb und heisst so viel wie «nachahmen».

Jonny, Mauro und Luca sind also selbsternannte Nachäffer. Und das ist durchaus nicht abschätzig gemeint. Denn es nimmt dem Punk der Ape Rites das Programmatische, macht ihn unterhaltsam und sehr abwechslungsreich. So wird «Dolci» tatsächlich zu einem süssen Vergnügen, das nicht nur raubeinigen Punkfans gefallen wird. Und so ist auch der vermeintlich unpassende Albumtitel gerechtfertigt.

«Einfach weitermachen»

Wer die Ape Rites jetzt zu den Bands zählen will, die mehr Zeit für Konzepte aufwenden als für gute Riffs, liegt falsch. «Wir haben immer nur gespielt, worauf wir Lust hatten, so hat sich langsam das ergeben, was wir heute machen», sagt Sänger und Gitarrist Mauro in der Pause einer Probe, die die Band – wo sonst – in der Cafeteria des Gemeinschaftszentrums verbringt.

Bei Café Crème und Schokoladentorte erörtern die Ape Rites ihre Ursprünge. Es ist unmöglich nachzuvollziehen, wer durch welchen Freund in welchem Proberaum wen kennengelernt hat. Fest steht, dass Mauro und Jonny sich von der Uni kennen und mehrere Jahre miteinander musiziert haben, bevor Luca dazustiess und irgendwann die Ape Rites entstanden sind. So – «weil es einfach immer saumässig Spass gemacht hat», wie Jonny sagt – haben sich die die Ape Rites entwickelt.

Jetzt steht das Trio an dem Punkt, von dem alle Studibands, die jemals gegründet wurden, geträumt haben dürften. Es gibt den «Autocorso» als Single, «Dolci» als LP und mindestens zwei Abende pro Monat, an denen die Ape Rites irgendwo in der Schweiz auftreten. Einen Masterplan für die Zukunft der Band scheint es aber nicht zu geben. Zumindest nicht, wenn man Luca glauben darf, der zwischen zwei Bissen Schoggikuchen meint: «Wir machen jetzt einfach weiter.»

Allerdings: Der einen oder anderen Träumerei können sich auch die abgeklärtesten Jungs ergehen sich manchmal in der einen oder andere Träumerei. «Auf eine kleine Tour zu gehen, wäre schon fein. Zum Beispiel durch Norditalien», schwärmt Mauro und fügt lachend hinzu: «Aber nur ein, zwei Wochen, sonst wär mir das zu anstrengend.» Und das passt wieder sehr gut zu den drei Zürchern: Immer in guter Punk-Laune, aber eben immer auch molto dolce.

Das Cover des Debütalbums der Ape Rites. zVg

Das Debütalbum der Ape Rites: Das Cover von «Dolci» (Bild: zVg).

Die Ape Rites live: Am 16. März tunkt die Band im Zürcher Helsinki mit «Dolci» ihr erstes Album in den Taufbrunnen. Dieses ist digital und auf Vinyl erhältlich.