Ermittelnder Eigenbrötler
«Miséricorde» ist ein bildlich und musikalisch beeindruckender Thriller aus dem Tessin
Thomas möchte nach Hause. Nachdem der Genfer drei Monate in einem kleinen Dorf in den Wäldern Quebecs, Kanada verbracht hat, sieht er die Zeit gekommen, zurück in die Schweiz zu fliegen. Auf dem Weg zum Flughafen wird er allerdings Zeuge eines Unfalls, bei welchem ein Lastwagenfahrer einen Buben indigener Abstammung anfährt und Fahrerflucht begeht. Aus scheinbar unerklärlichen Gründen entscheidet sich Thomas in Kanada zu bleiben und verspricht der Mutter von Muk, den flüchtigen Fahrer zu finden. Und so beginnt für den Eigenbrötler Thomas eine Suche, bei welcher der fahrerflüchtige Lastwagenchauffeur nur ein kleiner Teil eines grossen Puzzles zu sein scheint.
Gefühlvoller Thriller
«Miséricorde» ist ein wunderschöner und überraschender Thriller aus der Schweiz, der an der diesjährigen Ausgabe des «Zurich Film Festival» Premiere feierte. Dem Luganeser Regisseur Fulvio Bernasconi gelingt es, mit viel Gefühl und Geduld aus einem im Grunde unspektakulären Ereignis einen hochspannenden Film zu machen. Bald schon muss sich Thomas nicht mehr nur mit der Suche nach dem flüchtigen Fahrer, sondern auch mit der kanadischen Polizei beschäftigen, die ihn als ausländischen Ermittler auf eigene Faust argwöhnisch beobachtet.
Miséricorde wartet mit einem mitreissenden Spannungsbogen und einer überraschenden Wendung auf, nach deren Auflösung sich der Film allerdings unnötig in die Länge zieht. Die wunderschönen Schauplätze und die durchwegs überzeugenden, gefühlvollen Portraits der Schauspieler, vor allem aber auch die musikalische Untermalung trösten darüber hinweg. Der Soundtrack von Nicolas Rabeus gehört sicher zu den Höhepunkten des Films: Meisterhaft versteht er es, die Einsamkeit der kanadischen Wälder einzufangen und hilft gleichzeitig dabei, Einblick in die Gefühlswelten der Protagonisten zu bekommen.