«Skizzen von Lou» brilliert mit einer poetischen Bildsprache

Ambivalenter Freiheitsdrang

Im Zürcher Hochsommer balanciert die geheimnisvolle Lou zwischen einer neugefundenen Liebe und ihrem Drang nach Freiheit. Erst in den Bergen erschliesst sich das Gesamtbild des unkonventionellen Schweizer Films «Skizzen von Lou».

26. September 2016

Zerzauste, rostrote Haarsträhnen, unter welchen stahlblaue Augen hervorfunkeln. Volle, verführerische Lippen, die zu einem schelmischen Lächeln gezogen sind. Das ist Lou. Trotz brühender Sommerhitze in Zürich trägt die 29-jährige immer eine Stulpe am linken Arm. Was sich dahinter verbirgt, offenbart sich erst am Ende des ersten Langspielfilms der jungen Zürcher Filmemacherin Lisa Blatter, der letzte Woche am Zurich Film Festival Weltpremiere feierte. Zuvor sieht man – wie der Titel es verspricht – nur «Skizzen» von Lou (Liliane Amuat). Es sind Momentaufnahmen aus einem Leben, welches mit demjenigen der ziellos herumirrenden Ameise auf Lous Arm vergleichbar ist, die sie in einer Szene beobachtet.

Grenzenlose Gefühle

Als die junge Frau ihrem Nachbarn Aro (Dashmir Ristemi) näherkommt, gerät ihr ungebundener Lebensstil ins Wanken. Denn mit dem grenzenlosen Gefühl der Verliebtheit kommen auch Erwartungen und Eifersucht ins Spiel. Das sind Gefühle, mit denen Lou nichts zu tun haben möchte. Zusammensein und trotzdem noch das eigene Leben haben, und dabei bloss keine Verpflichtungen eingehen: Das ist ihr Plan. Sinnbildlich für ihren extremen Freiheitsdrang, lässt Lou sich immer und immer wieder im Fluss treiben. Beinahe exzessiv scheint ihr Drang nach dem kühlenden Wasser.

Von der Skizze zum Bild

Nicht nur die Zuschauerin, auch Aro kann das immer wieder skizzenartige Auftauchen von Lou lange nicht zu einem kohärenten Bild vervollständigen. Über ihre Vergangenheit redet sie kaum. Beim Geschirrspülen erklärt sie ihm in knappen Worten, dass ihre Mutter vor fünf Jahren gestorben ist. Von seiner Fragerei in die Enge getrieben, flüchtet Lou schliesslich nach einem Streit in die Schweizer Berge. Erst fernab der erdrückenden Sommerhitze und des reissenden Flusses findet sie an einem kühlen Bergsee ihre Ruhe. Doch anstatt die Vergangenheit hinter sich zu lassen, blickt sie dieser dort endlich in die Augen. Und so erfährt auch das Publikum, was sich hinter der schemenhaften Fassade von Lou verbirgt.

Ein schmaler Grat

Ohne viel Dialog brilliert dieser Film mit seiner gewaltigen Bildsprache. Es ist eine Annäherung zweier Personen, die in Detailaufnahmen von Berührungen und Blicken erzählt wird. Wie ein Tanz zweier Liebender, die sich immer wieder halten und loslassen müssen, bevor sie zueinander finden können. Auf poetische Weise beleuchtet die Regisseurin und Drehbuchautorin Blatter den schmalen Grat zwischen Einsamkeit und Zweisamkeit. Die Protagonistin muss in der überwältigenden Begegnung mit einem anderen Menschen erfahren, dass ihr innerer Freiheitsdrang und der Unwille, sich fest zu binden, unversehens in Leere und Einsamkeit kippen können. Die Hauptdarstellerin Liliane Amuat verkörpert diese Lebenseinstellung überzeugend und brilliert in der Rolle von Lou.

«Skizzen von Lou» (Lisa Blatter, 2016) läuft am Zurich Film Festival.

Weitere Vorstellungen:

Di, 27.9.16, 14.00 Uhr, Arthouse Piccadilly

So, 2.10.16, 17.00 Uhr, Arthouse Piccadilly