«Jetzt einfach noch weniger depressiv!»

Das noch junge Theaterensemble «Die Lettanten» inszeniert Jonas Hassen Khemiris Stück INVASION!. Das Stück ist anspruchsvoll, die Proben intensiv. Am Wochenende feiert das Laienensemble in der Bäckeranlage mit seinem zweiten Stück Premiere. Ein Besuch bei den letzten Vorbereitungen.

12. September 2016

«Nochmal, und jetzt so, als würdet ihr es meinen!» – «Das ist gut, jetzt einfach noch weniger depressiv!» – Und: «Du läufst nur, wenn du weisst, wieso du läufst, sonst läufst du nicht!» Linda Büchler gibt in der Schlussphase der Proben zum neuen Stück des Ensembles «Die Lettanten» klare Anweisungen. Sie leitet, assistert von Claudia Finkele, die neunköpfige Gruppe. Die meisten Mitglieder des Ensembles studieren noch: Freundinnen und Freunde, die zusammen Theater spielen, mit viel Herzblut. «In der U21, der Jugendtheatergruppe vom Theater Neumarkt, haben wir uns kennengelernt», erzählt Linda. «Da die neue Theaterdirektion die U21 nicht weiterführte, haben wir das eben selbst gemacht.» Eva Zimmerli, die von Beginn an dabei ist, erklärt: «Nach der Schule habe ich das Theater vermisst. Hier kann ich wieder gemeinsam mit anderen in einer Gruppe ein Stück proben und die Leute beim Spielen auf eine andere Art kennenlernen.»

Lockere Atmosphäre trotz schwerer Kost

Für ihre zweite Produktion nach Die sexuellen Neurosen unserer Eltern von Lukas Bärfuss hat sich das noch junge Laienensemble einen komplexen Text vorgenommen: INVASION! von Jonas Hassen Khemiri. Er handelt vom Fremden und Anderen, von sprachlichen Missverständnissen und gesellschaftlichen Barrieren. Die Gruppe versucht der schweren Kost mit einer grossen Portion Lockerheit entgegenzukommen: Es wird gelacht, gespielt, gesteigert. Die Dramaturgie geht auf in einem wilden, aber doch nachvollziehbaren und stimmigen Mix aus Bewegung, Licht, Musik und Gesang. Dass die Schauspielerinnen und Schauspieler sich untereinander gut verstehen, ist auch in den Proben stets spürbar. Alle sind motiviert, alle denken mit; und Berührungsängste sind im Theater sowieso fehl am Platz. Das merkt man schon lange bevor sich Carmen und Erik in einer Szene chestbumpen.

Diese lockere Atmosphäre scheint auch der Inszenierung gut zu tun. Heimat, Identität, Terrorismus – worum geht es genau? Das ist nicht die wichtigste Frage, wie es scheint. «Es ist lustiger, wenn man nicht jedes Theater bis ins Detail verstehen will», meint auch die Regisseurin Linda. In einer Szene ist das Nichtverstehen beim Publikum geplant: Simon spricht Walliserdeutsch. In der Vorlage ist die Szene auf Persisch. Da das in der Truppe aber niemand spricht, hat man sich auf einen schwierig zu verstehenden Dialekt geeinigt, um das «Fremde» trotzdem rüberzubringen – und vielleicht auch zu hinterfragen?

«Nicht in der Nase bohren!»

Die zweieinhalbstündige Probe vergeht im Nu. Linda gibt Feedback: «Die Lautstärke ist gut, aber bitte weniger Hitler!» – «Momentan bist du noch ein bisschen eine Coolness-Wand.» – Und: «Nicht in der Nase bohren danach, das macht es kaputt!» Das Stück nimmt immer weiter Form an: Jetzt kommt es auf den letzten Feinschliff an, damit nicht nur die Proben, sondern auch das Stück Spass machen. Das fertige Werk ist ab Freitag in Zürich und Baden zu sehen.

INVASION! von Jonas Hassen Khemiri

16., 17.9. (20 Uhr) und 18.9. (18 Uhr) in der Bäckeranlage (Quartierzentrum Aussersihl) in Zürich. 23.9.16 (20 Uhr) in der Kantonsschule Baden (Bühne 2). Weitere Infos: dielettanten.wordpress.com