Pornokino Roland: Relikt aus der Vergangenheit. Reto Heimann

Stöhnen in Dolby-Surround

Ein ZS-Redaktor traut sich ins Pornokino Roland. Warum ihm dabei mulmig zumute ist.

8. April 2016

Vor dem Kinosaal sitzt ein Türhüter. Genau genommen sitzt er in einem Kabäuschen und starrt auf sein Smartphone. Wer ins Sexkino will, muss an ihm vorbei. Wortlos knöpft er mir zwölf Franken ab. Nebst dem Eintrittspreis kostet mich der Besuch im Roland vor allem eines: Überwindung. Minutenlang bin ich auf dem Gehsteig unter dem blassrosa schimmernden Schriftzug des Roland auf- und abgegangen, unter den Blicken der nackten Frauen auf den Schmuddelfotos, ehe ich die Glastür aufgestossen habe.

Drinnen ist es still. Es sind kaum Gäste da an diesem Dienstag. Teppichgepolsterte Stufen federn meinen Schritt ab. Ich schleiche lautlos in den Kinosaal hinein. Kurz vor dem Saaleingang entdecke ich zu meiner Rechten eine kleine Kammer – darin ein speckiges Sofa; an der Wand hägt ein Bildschirm. Mit einer Konsole können verschiedene Filme angewählt werden; Papiertücher liegen bereit. Die Lust, mich zu setzen, ist klein. Ich bin etwas angewidert.

Ein einsamer Ort

Wenn nicht mit Lust, dann doch mit einer gewissen Neugierde trete ich auf den Balkon, wo ich von einem dickbäuchigen Mann kritisch beäugt werde: Ich hatte mir fest vorgenommen, mit einem Besucher ins Gespräch zu kommen. Warum geht man ins Sexkino und riskiert dabei, als Sexgrüsel abgestempelt zu werden, wenn man das gleiche gratis und anonym im Netz haben kann? Doch als ich den geöffneten Hosenbund des Mannes sehe, verlässt mich aller Mut. Ich möchte nicht stören. So ein Sexkino ist ambivalent, denke ich: Einerseits ist es ein öffentlicher Ort, andererseits einer höchster Intimität. Ich setze mich grusslos hin. Die Stimmung ist trist – alle Zuschauer sind allein.

Der Film ist bereits in Gang. Im Roland laufen die Filme in Endlosschlaufe. Auf der Leinwand ist ein junger Mann mit Allerweltgesicht gerade zwischen den Beinen einer zierlichen Frau verschwunden und macht sich – zumindest ihrem Gestöhne nach zu urteilen – gehörig an ihr zu schaffen. Es wirkt befremdlich: Während sie splitterfasernackt auf dem Rücken daliegt, bleibt er komplett angezogen.

Finde ich das geil? Ehrlich gesagt ist mir nach fünf Minuten langweilig. Den einzigen Reiz, den ich verspüre, ist der Reiz, das Kino wieder zu verlassen. Allerdings habe ich auch selten einen Porno aus solch distanzierter Position geschaut. Vielleicht fände ich es vor dem Computer, zuhause im Bett, erregender. Seltsam, dass der Porno ausgerechnet hier im Roland, auf Grossleinwand projiziert und in Dolby-Surround gestöhnt, seine Wirkung auf mich verliert.

Nicht Sodom und Gomorrha

Im Roland werden zwei Filme parallel gezeigt – einer im Parterre, einer auf Balkon-Höhe. Wählt man seinen Sitzplatz strategisch klug, kann man beide Filme gleichzeitig mitverfolgen. Während auf dem Balkon der mit dem Allerweltgesicht abspritzt, werden von der unteren Leinwand Klavierklänge emporgetragen, zu welchen sich Mann und Frau im mediterranen Garten ineinanderschlingen. Der Kontrast zwischen den beiden Filmen bringt mich zum Schmunzeln.

Ich habe genug gesehen. Auf dem Höhepunkt des Geschehens verlasse ich das Sexkino – mit gemischten Gefühlen. Das Sexkino ist nicht der abartige Ort, wie ihn sich viele Köpfe ausmalen. Das Roland ist nicht Sodom und Gomorrha. Im Gegenteil: die stumpf-spitze Triebbefriedigung, die hier gezeigt wird, ist für mich einfach reizlos und öde.