Cla Famos, Direktor der Studienstifgung. zvg

«Ganz normale Menschen»

Der Direktor der Studienstiftung Cla Famos über Potential und Engagement.

8. April 2016

Herr Famos, was bedeutet für Sie «hochbegabt»?

Das Ziel der Studienstiftung ist es, junge Menschen zu unterstützen, die in unserer Gesellschaft Verantwortung übernehmen wollen. Begabung ist nicht etwas, das man einfach hat, sondern ein Potential, das Menschen in sich spüren und entwickeln.

Die Geförderten müssen sehr viele Kriterien erfüllen. Nicht nur gute Noten erzielen, sondern auch gesellschaftliches Engagement zeigen. Werden damit nicht die Anforderungen einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft unhinterfragt reproduziert?

Das finde ich etwas weit hergeholt. Ist es ein besonderes Kennzeichen von kapitalistischen Leistungsgesellschaften, dass man sich gesellschaftlich engagiert? Das widerspricht doch gerade dem Klischee einer kalten Leistungsgesellschaft. Dieser versuchen wir entgegenzuwirken. Es stimmt aber, dass wir hohe Anforderungen an unsere Geförderten stellen. Und diese auch an sich selber.

Wie muss man sich die von Ihrer Stiftung Geförderten vorstellen?

Ich mache die Erfahrung, dass unsere Geförderten ganz normale Menschen sind, die keinem der Elite-Klischees entsprechen. Die Studienstiftung ist auch sehr divers. Zum Beispiel repräsentieren die Stiftlerinnen und Stiftler das ganze Spektrum der Politik von links bis rechts.

Die SST hat kürzlich 10 Millionen Franken von der Werner-Siemens-Stiftung erhalten, die zur Förderung von MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) eingesetzt werden müssen. Widerspricht diese Bindung der Gelder nicht dem Ziel, möglichst breit interessierte Studierende zu fördern?

Da muss ich präzisieren: Ein Drittel der Gelder ist ausdrücklich für allgemeine Mittel vorgesehen. Die finanzierten Sommerakademien sind für den interdisziplinären Austausch zwischen allen Fächern vorgesehen. Nur zehn neue Stipendien sind MINT-Studierenden vorbehalten.

Wie stellen Sie sicher, dass die Geistes- und Sozialwissenschaften und die Künste nicht zu kurz kommen?

Das wird nicht der Fall sein. Wir hatten schon bisher für viele Fächer spezielle Stipendien, ohne dass dies für jemanden ein Problem gewesen wäre. Ich selbst habe Theologie und Rechtswissenschaft studiert und setze mich deshalb persönlich für den Stellenwert der Geistes- und Sozialwissenschaften ein. Aber ich freue mich auch sehr, dass wir nun für den MINT-Bereich weitere Angebote machen können, denn er spielt für den Wissensstandort Schweiz eine zentrale Rolle.

Gab es innerhalb der Stiftung eine Diskussion über diese zweckgebundene Spende?

Ja natürlich, wie bei jeder projektbezogenen Spende wurde sie in den zuständigen Gremien intensiv evaluiert. Und es wurde mit Freude festgestellt, dass ein grosser Teil der Gelder für die allgemeinen Förderprogramme eingesetzt werden kann. Auch die Geförderten selbst haben darüber diskutiert.

Zur Person

Cla Famos ist seit 2005 Direktor der Schweizer Studienstiftung. Er ist Theologe und Jurist und lehrt als Titularprofessor an der Universität Zürich. Famos ist Vater von zwei Kindern und arbeitete früher im Job-Sharing mit seiner Ehefrau als reformierter Pfarrer.