Editorial #5/15
Humankapital — Mal voyeuristisch, mal eine Bedrohung heraufbeschwörend: Über Migration wurde in den letzten Wochen viel geschrieben. Vielleicht zu viel.
Immer wieder las man, dass sich Migration lohnen müsse. Flüchtlinge kosteten nur. Fachkräfte seien willkommen, aber nur temporär. Auch diejenigen, die erklären wollten, warum Migration kein Übel ist, fuhren mit wirtschaftlichen Argumenten auf. Denn Kritiker überzeugt man nicht mit grenzenloser Solidarität; da müssen handfeste Beweise her. Doch Migration muss sich in keiner Handelsbilanz lohnen – genauso wenig wie Bildung. Ihr Wert lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken.
Auch in Zürich muss sich Bildung nicht lohnen. Bildung darf auch einfach mal sein; das ist kein Luxus, sondern das Fundament einer freien Gesellschaft. Rektor Hengartner möchte das Studium so umstellen, dass sich niemand lange vor ungeliebten Fächern drücken kann, denn Studierende, die spät abbrechen, sind unökonomisch. In einem Jahr «Statistik» nicht zu buchen und sich dafür in «Politische Philosophie» zu vertiefen, ist legitim; und bringt Musse. Ohne sie kann die Akademie nicht gedeihen.
Wenn wir aufhören würden, alles zu beziffern, dann sähen wir Menschen, keine Ströme – Studierende, kein Humankapital – Flüchtlinge, keine Bedrohung.
Nina Kunz, Redaktionsleiterin