ZFF

Prickelnde Blicke

So sieht es aus, wenn sich Cate Blanchett in die (für einmal) harmlose Rooney Mara («The Girl with the Dragon Tattoo») verliebt. Ein ästhetischer Film, der am Zürich Film Festival 2015 seine Premiere im deutschsprachigen Raum feiert.

27. September 2015

Die Liebe ist eine reich gefüllte Menükarte. Man muss eine Wahl zwischen verführerisch klingenden Speisen treffen, ohne genau zu wissen, ob einem das Essen tatsächlich schmecken wird. Die junge Therese Belivet (Rooney Mara) kann sich nicht entscheiden. Verunsichert sitzt sie in biederem 50er-Jahre Kostüm in einem Manhattener Restaurant und blättert durch die edle Speisekarte. Ebenso ratlos scheint sie durch ihr Leben in der New Yorker Nachkriegszeit zu gehen. Zweifelnd über ihr Talent für die Fotografie, arbeitet sie als Verkäuferin in einem Spielwarenladen. Über die Zukunftspläne ihres Partners ist sie wenig enthusiastisch. Allgemein interessiert sich Therese nicht wirklich für Menschen und fotografiert stattdessen lieber Bäume, Tiere und Gegenstände. Bis sie eines Tages auf die um einige Jahre ältere Carol (Cate Blanchett) trifft. Mit einer albernen Weihnachtsmütze auf dem Kopf verkauft Therese der eleganten Dame ein Geschenk für deren Tochter.

Die Fassade bröckelt

Bereits der erste Blick zwischen den beiden Frauen lässt die Luft in dem kitschigen Laden knistern. Ohne zu wissen worauf sie sich einlässt, kann Therese der verführerischen Carol nicht widerstehen. «Zufällig» vergisst diese ihre Handschuhe auf der Ladentheke. Was darauf folgt sind verschiedene Treffen zwischen den beiden Frauen, deren Lebensumstände unterschiedlicher kaum sein könnten. Während die ziellose Therese sich noch nicht mal bereit fühlt mit ihrem Freund zu verreisen, findet die gelangweilte Carol in ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau keine Erfüllung und steckt mitten in einem Scheidungsprozess, in dem sie um ihre Tochter kämpft.

Um der komplizierten Situation zu entfliehen, brechen die beiden Frauen kurzerhand auf eine Reise auf. Doch trotz der Distanz will es den Verliebten nicht so recht gelingen, die Heimat hinter sich zu lassen. Zumindest Carol nicht. Ihre kontrollierte, scheinbar perfekte Fassade beginnt langsam zu bröckeln und es wird klar, dass auch sie nicht genau weiss, was sie will. Hin und her gerissen zwischen dem neuen Liebesabenteuer und der Verantwortung als Mutter bleibt sie überraschend passiv. Daneben blüht Therese zunehmend auf und lässt ihre Schüchternheit hinter sich. Sie scheint mit ihrer Wahl aus der Speisekarte auf den Geschmack gekommen zu sein. Doch das Luftschloss, dass sich das verbotene Liebespaar gebaut haben, droht bald durch Eifersucht und moralische Fragen einzubrechen.

Verschwommene Lichter und Gesichter

Die Romanvorlage von Patricia Highsmith «Salz und sein Preis» stammt aus dem Jahr 1952 und wurde vom Regisseur Todd Haynes zu einem poetischen Werk verarbeitet. Die Geheimzutaten sind dabei die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen und die Inszenierung deren unterschiedlichen Charakteren. Das verträumte Wesen von Therese fängt Haynes am liebsten verschwommen durch eine verregnete Autoscheibe ein, in der sich die Strassenlichter des Abendverkehrs spiegeln. Die unnahbare Carol wird hingegen in ästhetischen Schwarz-Weiss-Fotografien in Szene gesetzt. Es sind jene Fotos, die Therese voller Ehrfurcht von Carol geschossen hat, und ebenso bedächtig in ihrer Dunkelkammer entwickelt. Therese’s geheimnisvolle Art wird perfekt von der amerikanischen Schauspielerin Rooney Mara verkörpert, die man durch ihre rebellische Rolle der Lisbeth Salander im Hollywoodfilm «The Girl with the Dragon Tattoo» kennt. Für ihre Rolle in «Carol» wurde sie als Best Actress in Cannes nominiert. Mit Cate Blanchett hat der Regisseur Todd Haynes bereits in dem Bob Dylan Film «I’m not there» zusammengearbeitet.

Der Film lohnt sich alleine der poetischen Bilder wegen, der Widerspiegelung der Kultur und Gesellschaft der 50er Jahre in New York und einem nostalgischen «Thelma und Louise»-Flair, mit dem Unterschied, dass die beiden Frauen kein Verbrechen verübt haben, ausser sich zu lieben.

Dienstag 29.9.15, 21.15 Uhr, Corso 1

  • Länge: 118 Min

  • Land, Jahr: UK, 2015

  • Drehbuch: Phyllis Nagy

  • Kamera: Ed Lachman

  • Schnitt: Affonso Goncalves

  • Besetzung: Cate Blanchett, Rooney Mara, Sarah Paulson, Jake Lacy, Kyle Chandler