RosaRot, ist der Feminismus tot?
Die ZS sagt, was viele denken. Die Redaktion der Zeitschrift RosaRot verteidigt sich.
Ihr habt euch Feminismus und Sozialismus (RosaRot) auf die Fahne geschrieben. Das sind zwei Ideologien, denen doch nur noch verbitterte Alt-68er nachhängen.
Das kann gut sein, dass die Herren der 68er-Bewegung verbittert sind, schliesslich sind sie mittlerweile alt und vielleicht sexuell frustriert – ganz im Gegensatz zu den Altachtundsechzigerinnen! Diese Frauen sind unsere Vorbilder, weil sie sich noch immer aufmüpfig, beweglich, lustvoll und utopisch für ihre Anliegen einsetzen. Im Austausch mit ihnen wird klar, dass heute viele Themen auf struktureller Ebene dieselben sind wie noch vor 50 Jahren. Darum ist Feminismus für uns eine Haltung, die gängige Lebensformen in der kapitalistischen, patriarchalen Gesellschaft hinterfragt und deshalb aktuell ist.
Und am Rande: Die Kombi Feminismus und Sozialismus ist viel älter als die 68er-Bewegung, wie zum Beispiel Clara Zetkin zeigt.
Gender ist heute das Totschlagargument für jeden Unterschied, den es zwischen Frauen und Männern nun mal einfach gibt. Ihr reitet auf einer Welle der geisteswissenschaftlichen Verirrung.
Mit solchen Verirrungen hadern wohl vor allem jene, die allzu sehr auf einer Trennung von Praxis und Theorie beharren. Denkt man die ganze Geschichte zu Ende, wird erkennbar, dass der Begriff «Gender» auch nur versucht, eine Lebensrealität sprachlich zu fassen: Er verweist darauf, dass aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung spezifische Verhaltensweisen erwartet werden, die nicht allen Menschen behagen. Die sprachliche Erfassung dieser Diskrepanz möchten wir um feministische Diskurse erweitern, die im wissenschaftlichen Betrieb leicht vergessen gehen. Mit der RosaRot wollen wir der Vielfalt von kritischen feministischen Ansätzen Raum bieten. Die Schweiz braucht wieder eine lebendige öffentliche Debatte über Sexualität, Geschlechterklischees und Lebensformen. Feminismus ist mehr als Gendertheorie oder Gleichstellungspolitik!
Ihr seid Frauen und schreibt vor allem für Frauen. Damit bestärkt ihr die Heteronormativität, die ihr eigentlich bekämpfen wollt.
Was ist denn daran heteronormativ, wenn wir als Frauen für Frauen schreiben?! Hier ist doch viel eher das sagenumwobene Patriarchat gemeint? Ja, klar wollen wir das bekämpfen: Den Frauen die WeltHERRschaft, und allen Männern das Schnäbi ab!
Um nochmals auf die Alt-68erinnen zurückzukommen: Mit dem Rot wollen wir deutlich machen, dass wir Feminismus immer auch als Kapitalismuskritik begreifen. Deshalb kann es uns nicht darum gehen, bestehende Machtstrukturen einfach unter umgekehrten Vorzeichen zu reproduzieren. Feminismus ist in diesem Sinne immer auch utopisch, weil wir zusammen mit anderen Menschen versuchen, über das Gewohnte und Bekannte hinauszukommen.