Truog: Nicht glücklich sein

23. Februar 2015

Warum sind wir nicht glücklich? — Vor nicht allzu langer Zeit stellten sich die Menschen diese Frage nicht, weil sie mit schlichtem Überleben beschäftigt waren. Die entsprechende Frage wäre dann gewesen: Warum legt sich die Wildsau nicht freiwillig auf den Grill, äh, die Feuerstelle? Dass wir (auch nicht überall auf dem Planeten) Zeit haben, uns zu fragen, ob wir glücklich sind, dürfen wir getrost als Gewinn werten und dankbar sein. Gleichzeitig wäre es absolut falsch, deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben (Vorsicht: schlechtes Gewissen niemals verwechseln mit Altruismus und Mitmenschlichkeit; die sind für eine Gesellschaft unentbehrlich).

Aber genau da liegt vielleicht die Wildsau begraben. Blöd, wenn sich zum Gedanken «Ich bin mit meinem Leben nicht zufrieden» der zweite hinzugesellt: «Dabei lebe ich in einem der reichsten Länder und in einer der freiesten Gesellschaften der Welt». Anstatt unsere Freiheit zu nutzen, überantworten wir uns als brave Spiessbürger der Lächerlichkeit. Wir sind nicht glücklich, weil uns der Wohlstand passiv macht, weil wir das nicht selbst erbeutete Wildsau-Steak nicht selber auf den Grill hauen, weil wir das gut verwaltete, präventiv gesicherte Überleben über uns ergehen lassen, anstatt zu leben.

Hegel glaubte, dass der Mensch nur glücklich werden kann, wenn er Anerkennung von anderen Menschen bekommt. Also müssen wir aktiv werden, gut werden in dem, was wir tun, und Beziehungen zu Mitmenschen aufbauen, in denen wechselseitige Anerkennung stattfindet.

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