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Die Macht der Blumen

«Loreak» (dt. «Blumen») ist ein spanischer Film von Jon Garaño und José Mari Goenaga über drei eigenwillige Frauen und die Macht der Blumen. Mit einer Bildsprache, so schön gestaltet wie die Blumensträusse und einer Geschichte, so verflochten, wie die wunderschön arrangierten Blumenbouqets im Film.

2. Oktober 2014

Wer kennt das Bild von Blumen am Strassenrand nicht? Meist handelt es sich hierbei um die Erinnerung an einen geliebten Menschen, der an dieser Unfallstelle verstorben sein muss. Die Regisseure Jon Garaño und José Mari Goenaga liessen sich davon inspirieren und fragten nach der Geschichte hinter diesen Blumen. Wer waren diese Menschen? Was fühlten sie? Und was hatten die Blumen für eine Bedeutung für sie? Die Blume an sich hat keine, erst die Menschen, mit denen sie in Berührung kommt, geben ihr eine.

Das Blumensymbol

In «Loreak» kommen Blumen symbolisch durch den ganzen Film hindurch vor und erhalten dadurch eine Metaphorik. Diese kann der Zuschauer nach und nach aufschlüsseln, was die aufrollende Erzählstruktur des Drehbuchs sehr schön ermöglicht. Bezüglich des Erzählens handelt es sich sogar um zwei Handlungsstränge, die miteinander zusammenhängen und sich schliesslich treffen und es kommt zu Verknüpfungen.

Zuerst wird die Geschichte von Ane erzählt, einer Frau Mitte Vierzig, deren Beziehung alles andere als blendend verläuft. Zudem trägt ihre vorzeitig einsetzende Menopause auch nicht gerade zur ihrer Stimmung bei. Da ist es ein bunter Lichtblick, als plötzlich ein wunderschöner Blumenstrauss für sie abgeben wird. Absender unbekannt. Jede Woche erhält sie nun blühende Post. Ganz zum Missfallen ihres Mannes Ander, der sich zunehmend darüber aufzuregen beginnt. Schliesslich nimmt Ane die Sträusse zu sich ins Büro, wo sie als Bauleiterin arbeitet.

Zwei grosse Zeitsprünge

Es wird ein zweiter Plot eröffnet mit einer Frau namens Lourdes, die ihren Mann bei einem Autounfall verliert. In diesem Moment hören die Blumenlieferungen bei Ane plötzlich auf und ihr und dem Zuschauer dämmert es langsam, denn der verstorbene Mann von Lourdes war ein Arbeitskollege von Ane. Nun ist es Lourdes, die von einem blumigen Rätsel steht: Jede Woche platziert jemand frische Blumensträusse an der Unglückstelle. Da der Leichnam zur Studienzwecken an der Medizinischen Fakultät freigegeben wurde, gibt es kein Grab und somit keine Gedenkstätte. Die Strassenecke mit den Blumen erhält so noch eine weitere Bedeutung. Lourdes beginnt nachzuforschen und ertappt Ane bei ihren wöchentlichen Auslieferungen und die beiden Plots treffen sich.

Im Film gibt es zwei grosse Zeitsprünge. Zuerst einen von drei Jahren, wobei Ane die ganze Zeit über immer noch Blumen ablegt. Und der zweite von zwei Jahren, als Ane mit der Geschichte abgeschlossen hat und zu vergessen versucht. Dafür versucht sich die Schwiegermutter von Lourdes, Tere, an ihren Sohn zu erinnern, da sie langsam vom Vergessen befallen wird. Gedächtnis und Erinnerung zeugen von der Wichtigkeit für das menschliche Leben und die Blumen als Vermittlung von Liebe und Gedenken.

Künstlerischer Anspruch und viele Fragen

Viel bleibt jedoch ungeklärt, was für den Zuschauer unbefriedigend sein kann. Die Beziehungen unter den Figuren werden nicht abschliessend dargestellt. So erfährt man zum Beispiel nie, warum sich Lourdes mit ihrer Schwiegermutter so schlecht versteht und auch ihre kalte Beziehung zu ihrem Ehemann wird nie begründet. Das erschwert ein Sympathisieren mit den Figuren. Fragen wirft auch die Schaf-Symbolik im Film auf. Dazu wollten sich die Regisseure allerdings nicht äussern. Sie meinten nur, der Film konnte noch ein weiteres Symbol vertragen und die Schafe drängten sich auf im Film mitzuspielen.

Was auf der Figurenebene vielleicht etwas zu kurz gekommen ist, macht die bemerkenswerte Kameraarbeit wieder wett. Perspektiven aus allen Blickwinkeln, eine vielfältige Montage, welche besonders mit schönen Nahaufnahmen, Verlagerungen von Schärfentiefe und der Mise-en-Scène punktet. Es hat auffällig viele sehr lange Einstellungen, dazu oft der monotone Ton von Regen. Selbst am Anfang hört man nur Regen aus dem Off, bevor als erstes Bild Blumen erscheinen. Wie auch als letztes. Diese Stille und die ruhige Kamera prägen mehrheitlich die Stimmung des Films. Nachdenklich, fast schon etwas melancholisch. Die bunten Blumen wirken als einziger Frohsinn in der sonst eher düsteren baskischen Landschaft und den klammen Wohnungen.

Die Blumen bringen aber nicht nur Freude, sondern bergen auch die Gefahr einer Bedrohung, insbesondere das Rätsel um ihre Herkunft, vor dem beide Frauen zuerst stehen. Es kommt zu Spekulationen und Mutmassungen, was dem ganzen Film die Dynamik und die Spannung verleiht, die er auch braucht, da die Blumen und ihre Geschichten als Einziges im Mittelpunkt stehen. Die Macht der Blumen und die Kraft, die sie den Menschen geben können, ist wunderschön anzusehen. So sehr, dass man fast schon Lust bekommt, kaum ist man aus dem Kinosaal raus, in den nächsten Blumenladen zu laufen.