ZFF

Die Leiden des jungen Hook

Viel Blut, viel Gefluche und viel Adrenalin. Nach den knapp 100 Minuten des Films ´71 fühlt sich der Kinobesucher selbst wie vom Krieg gezeichnet.

30. September 2014

Junge Männer – manche kaum der Pubertät entwachsen – werden über steinige Wege gehetzt, robben sich durch Flüsse, klettern über mannshohe Mauern und schiessen mit ihren Gewehren auf fiktive Gegner. Stets begleitet von ihrem Kommandanten, dem das F-Wort mehr als nur einmal entweicht und an dessen derbes Auftreten sich die Jünglinge wahrscheinlich bereits gewöhnt haben. Das Training der Britischen Armee lässt den Zuschauer froh sein, dass er es sich auf seinem Kinosessel gemütlich machen kann und es ist nicht das einzige Mal, dass man nicht mit dem Protagonisten des Thrillers ´71 tauschen möchte.

Gary Hook, ein junger Brite über den man nur weiss, dass er einen kleinen in einem Heim lebenden Bruder hat, wird zusammen mit seinen Kumpanen in die Stadt Belfast in Nordirland geschickt. Dort sollen die Soldaten für Ruhe zwischen den friedlichen Protestanten und den aufständigen Katholiken sorgen – sprich die IRA daran hindern, dass sich Nordirland von Grossbritannien freikämpft. Was sich ein bisschen wie die Aktualität in Schottland anhört, wurde zu dieser Zeit jedoch nicht mit einer Abstimmung sondern mit drastischeren Methoden versucht.

Der Aufstand

Der Film beginnt sehr ruhig, die einzelnen Personen werden kaum vorgestellt, man muss sich selbst ein Bild reimen. Gesprochen wird kaum, wenn dann wird geflucht und dies mit herbem britischem und irischem Akzent. Dies ändert sich auch nicht, als die Soldaten in Belfast einfahren und nach nur wenigen Minuten von einer aufgewühlten Horde irischer Katholiken mit Steinen beworfen werden. Die Soldaten scheinen sichtlich überfordert, der viel zu junge Leutnant weiss nicht, wie mit der Situation umzugehen ist. Keiner ist gewillt zu schiessen. Als sich ein Junge aus dem wütenden Mob löst und einem Soldaten das Gewehr entreisst, sitzt man bereits am äussersten Rand des Kinosessels. Der bestohlene Soldat und Hook verfolgen den Jungen und werden von ihrer Truppe getrennt. Chancenlos werden sie verprügelt – eine Szene bei der man manchmal auch gerne den Kinosaal anstelle der Leinwand betrachtete. Es fällt ein Schuss und Hook’s Kamerad liegt blutüberströmt und reglos auf dem Boden. Hook’s einzige Chance ist die Flucht, denn auch auf ihn hat es die irische Untergrundorganisation abgesehen, während der Rest seiner Truppe in Windeseile den Kriegsschauplatz verlässt und Hook seinem Schicksal überlässt.

Das Katz-und-Maus-Spiel

Der Rest des Filmes spielt sich in einer einzigen Nacht ab, die vor allem für den flüchtigen Protagonisten endlos zu sein scheint. Alle haben es auf den verlorenen Soldaten abgesehen, die eigene Truppe, die wissen möchte, ob er überlebt hat und ihn wieder hinter sichere Tore bringen möchte und die Untergrundorganisation, die jeden einzelnen britischen Soldaten tot sehen möchte. Auf seiner Flucht rennt Hook durch Gassen, springt über Mauern und versucht seinen Gegnern zu entkommen – ungefähr so, wie er es in seiner Militärausbildung auch gelernt hat. Der Kinobesucher hat in etwa den gleich hohen Puls und ist vor allem froh, dass die Verfolger unglaublich schlecht mit ihrer Waffe zielen können. Hook gelingt es sich zu verstecken und Kleider von einer Wäscheleine zu entreissen, mit denen er sich nicht direkt als Soldaten outet. Er trifft auf einen kleinen rothaarigen Jungen, der ihm verspricht, ihn zurück zu seiner Truppe zu führen, jedoch bei einem misslungenen Bombenattentat schwer verletzt wird. Ob er stirbt, wird der Fantasie des Zuschauers überlassen, denn Hook befindet sich bereits wieder auf der Flucht.

Die Aufdeckung

Hook gelangt am Ende tatsächlich in die Hände der Gegner und, wie so oft bei Filmen die nicht von der Traumfabrik Hollywood gedreht werden, ist man sich nicht sicher, ob der Held überleben wird. Deshalb heisst es noch einmal ordentlich mitleiden und allenfalls die Hände vor das Gesicht halten. Was bereits während des Filmes suspekt ist, wird am Ende klar: die britische Armee hat unter den eigenen Männern ihre Feinde und so wird Hook im letzten Moment gerettet, bevor er von seinen eigenen Leuten ermordet wird. Leicht lädiert steht er am nächsten Morgen vor einem hohen Tier der britischen Armee, wobei ihm eingeredet wird, dass es nicht seine eigenen Leute waren. Man sieht dem jungen Protagonisten an, dass er gerne wiedersprechen würde, aber sein Rang im Militär reicht für solche Diskussionen nicht aus. Er salutiert, hinkt davon und holt sich seinen kleinen Bruder aus dem Heim. Gemeinsam fahren sie in einem Bus davon. Gary Hook wird sich wohl so schnell nicht wieder bei der Armee blicken lassen und der Kinobesucher braucht einen Moment, um sich von der Militärbasis wieder im Kinosaal zu Recht zu finden.