José Gonzalez ist als Vorarbeiter verantwortlich für die Koordination von 20 Männern auf der Baustelle und verantwortlich, dass die Arbeiten korrekt ausgeführt werden. Benjamin Erdman

Schuften statt studieren

José Gonzalez hat sein Studium abgebrochen und arbeitet heute auf der Baustelle.

28. November 2013

Hoch über den Dächern von Zürich auf einer Terrasse stützt sich José Gonzalez auf einem der vielen Gerüste ab. Er schaut in die Ferne und auf die Studierenden, die auf der Polyterrasse sitzen. Der 42-jährige Spanier war vor Jahren auch einmal Student, heute baut er am neuen ETH-Bürogebäude «Oberer Leonhard» an der Leonhardstras­se. Hier entsteht bis 2014 neben Büroräumen für Professoren des Departements Maschinenbau und Verfahrenstechnik ein Seminarzentrum für Lehrveranstaltungen im Bereich der Weiterbildung.

Gonzalez erzählt von seinem Psychologiestudium: «Das war nichts für mich. Viele Dinge, die ich in dem Studium über die Menschen erfahren habe, waren negativ.» Sein Herz sei dafür zu schwach gewesen. Doch manchmal bringe es ihm noch etwas bei seiner Arbeit. «Ich verstehe die Menschen jetzt besser», sagt Gonzalez.

Zufrieden auf dem Bau

Das war noch, als Gonzalez im spanischen Galizien lebte. Nach eineinhalb Jahren brach er das Studium ab und ging auf die Baustelle, wo er mit 15 Jahren schon einmal gejobbt hatte, weil er sich ein «Töffli» kaufen wollte. Gonzalez wirkt ausgeglichen, wenn er über seine Vergangenheit spricht. «Es braucht uns Bauarbeiter, die nicht für das Studieren gemacht sind, genauso wie Ärzte, Anwälte oder Philosophen.»

Mit 20 Jahren kam Gonzalez nach Zürich, «wegen der besseren Lohnstruktur», wie er in gutem Deutsch erklärt. Ihm gefällt die Arbeit hier: «Wir sind wie eine grosse Familie, haben unsere eigene Philosophie. Aber natürlich gefällt mir auch die Arbeit an der frischen Luft.» Die Jahre auf der Baustelle haben Gonzalez gezeichnet. Durch sein Gesicht ziehen sich tiefe Falten, und er hat erste graue Haare. So sieht er älter aus, als er ist. Dennoch wirkt Gonzalez ausgeglichen und zufrieden, wahrscheinlich unter anderem wegen seines beruflichen Aufstiegs. Er ist heute als Vorarbeiter verantwortlich für die Koordination von 20 Männern auf dieser Baustelle und muss die richtigen Anweisungen geben, damit die Arbeiten korrekt ausgeführt werden. «Momentan ist es etwas schwierig, weil hier zwei Firmen arbeiten, da treffen verschiedene Ansichten aufeinander.»

Hübsche Studentinnen

Auf die Frage, wie es ist, neben der Uni und der ETH zu arbeiten, und ob er hübschen Studentinnen nachpfeife, weicht er aus: «Studentinnen sind sehr interessante Menschen, offen und interessiert.» Er lacht und schaut zu Boden, dann streicht er verlegen über seinen Bart. «Hätte ich mich rasiert, würde ich mit vielen von ihnen einen Kaffee trinken gehen.»

Gonzalez ist unverheiratet und hat noch keine Kinder. Für seine Zukunft wünscht er sich beides. Er denkt kurz darüber nach, was er sich für seine Kinder beruflich wünschen würde, und antwortet dann bestimmt: «Jeder hat seinen eigenen Kopf, meine Kinder werden machen, was sie wollen. Das kann man nicht beeinflussen, und das will ich auch nicht.»