Una noche: Die rauen und schönen Seiten Kubas. trigon-film

Ein kubanischer (Alb-)Traum

Fliehen oder bleiben? «Una noche» ist ein Film über das Schicksal dreier Jugendlicher in Havanna - auf der Kippe zwischen kubanischer Lebensfreude und rauem Alltag.

1. März 2013

Eine heruntergekommene Hotelküche in Havanna - zwei junge Kubaner waschen dreckige Teller und träumen von einem Leben in Amerika. Raúl will in Miami seinen Vater suchen, der ihn mit seiner AIDS-kranken und sich prostituierenden Mutter zurückgelassen hat. Auch Elio erhofft sich ein besseres Leben jenseits des Meeres. Er hat die Schufterei für einen Mindestlohn und die Streitereien der Eltern zu Hause satt. Nur die Loyalität zu seiner Zwillingsschwester Lila hält ihn noch in seiner Heimat zurück. Bald lässt er sich von Raúls leidenschaftlicher Art anstecken und gemeinsam planen sie die Flucht über das Meer. Aus Brettern und Autoreifen bauen sich die Freunde ein Floss. Reiseutensilien wie Kompass, ein Motor und Glukose tauschen und rauben sie sich auf der Strasse zusammen. Je illegaler die Beschaffungen werden, desto mehr spitzt sich die Lage zu, bis am Ende nur noch die Flucht bleibt. So begeben sich die drei unterschiedlichen, aber vom gleichen Schicksal geprägten Jugendlichen auf eine gefährliche Reise. 90 Meilen trennen sie von dem verheißungsvollen Neuanfang an der Küste Floridas – 90 Meilen die über Leben und Tod entscheiden.

Flucht aus dem vermeintlichen Paradies

Die Zerrissenheit zwischen der Liebe zur Heimat und der Sehnsucht nach der Flucht ist Thema in diesem Film. Nicht nur durch Lilas sinnierende Stimme im Off werden diese Gefühle vermittelt. Auf ausgelassene Reggaeton-Rhythmen zu spontanen Tanzeinlagen und herumalbernden Jugendlichen folgen Szenen aus dem rauen Alltag in einer von Armut geprägten Stadt. Das stickige Klima, der Schweiss auf der Stirn, der allgegenwärtige Sex – ob käuflich oder aufgezwungen – und die rohe Gewalt auf den Strassen liefern ein schonungsloses Bild.

Neben all der Schwere lockert die Alltagskomik die Stimmung. Die kubanische Tausch- und Handelsfreudigkeit beschreibt Lila treffend: «In Havanna kannst du dir alles besorgen. Die Geschäfte sind leer, aber wenn du die richtige Person kennst, gibt es alles zum Kaufen.» So wird Elio etwa in eine Wohnung geführt, die mehr einem Flohmarkt als einem zu Hause gleicht und ein Mann, der illegal Medikamente vertickt, gibt sein Bett als umfunktioniertes Arzneilager preis.

Die Stimmung der Stadt wird eindrucksvoll eingefangen. Nachdem jeder Protagonist in der Weite Havannas noch seinen eigenen Weg ging, laufen die drei Geschichten auf dem engen, fragilen Floss auf dem Meer zusammen. Liebevolle Detailaufnahmen verdeutlichen die physische und psychische Nähe der drei Jugendlichen. Eine Nähe die jedoch bald erdrückend wird, so dass sich zu weilen sogar der Zuschauer eingeengt fühlt.

Fiktion wird zu Realität

«Una noche» ist das Spielfilmdebüt der nordamerikanischen Regisseurin Lucy Mulloy. Für die Recherche verbrachte sie mehrere Jahre in Havanna, wo sie unbekannte Schauspieler für die drei Hauptrollen suchte. Der Traum der Filmfiguren Elio, Lila und Raúl wurde für die Jungschauspieler zu Realität. Denn als Mulloy’s Werk am Festival Tribeca in New York mehrfach ausgezeichnet wurde, tauchten zwei Hauptdarsteller, Javier Nuñez Florian und Analin de la Rúa de la Torre, nicht auf. Sie hatten sich in Miami abgesetzt - um Asyl zu beantragen. Der Film könnte authentischer nicht sein und macht Lust auf die Fortsetzung. «Una noche más» («Noch eine Nacht») spielt in New York und wird in diesen Tage gedreht.

Regie: Lucy Mulloy

Drehbuch: Lucy Mulloy

Laufzeit: 90 min.

Filmstart: 14.2.2013

Schauspieler: Dariel Arrechaga, Anailín de la Rúa de la Torre, Javier Núñez Florián

Für wen: Für alle, welche die schönen wie auch die rauen Seiten eines Landes sehen wollen.