«Katrinafilm» spaltet Zürcher Publikum
Der Film «Beasts of the Southern Wild» des New Yorker Regisseurs Benh Zeitlin wurde am Zurich Film Festival als Favorit des diesjährigen Publikumspreises gehandelt, sorgte jedoch für viel Verwirrung unter den Zuschauern und konnte auch die Jury nicht überzeugen.
Nach Aussagen des Regisseurs war die Katrinakatastrophe im US-Bundesstaat Louisiana Ansporn des Filmprojekts, in dem jedoch nicht nur der Alltag und der eiserne Wille einer einfachen Gesellschaft gezeigt werden. Auch die Klimaerwärmung wird zum Thema.
«The Bathtub»
Die Hauptfigur Hushpuppy, ein sechsjähriges afroamerikanisches Mädchen, wurde im Bathtub, dem Mississippi-Delta, geboren und von ihrem gewalttätigen und schwerkranken Vater Wink grossgezogen. Obwohl er den Tod vor Augen hat, würde er sich lieber in einem Boot verbrennen lassen als das Bathtub jemals zu verlassen – der Charakter des Vaters widerspiegelt den Kampf zwischen verblendeter Ideologie und purem Existenzialismus. Sein Stolz und seine Naivität über den Lauf der Dinge haben die Kontrolle über seine Vernunft übernommen.
Er kann nicht mit der Tatsache umgehen, dass bald ein schwerer Sturm bevorsteht und der Sumpflandschaft eine meterhohe Überflutung droht. Die Bewohner des Bathtubs sind gezwungen, eine Entscheidung zu treffen. Entweder sie verlassen ihre geliebte Heimat oder sie suchen in der kargen Gegend nach Möglichkeiten zu überleben. Im Film wird ein letztes Fest vor der anstehenden Bedrohung zelebriert (wobei das Fest wiederum die anarchischen Hierarchien in dieser Gesellschaft aufzeigt). Dann kommt das böse Erwachen, denn die Vorahnung hat sich bestätigt: Der Wasserspiegel ist gestiegen und die bittere Suche nach Überlebenden beginnt.
Ekel und Verwirrung
Wie der Name «Hushpuppy» suggeriert, sorgt die Hauptdarstellerin stets für einen «Jö»-Effekt. Umso mehr überrascht es, wie überzeugend das kleine Mädchen ihre Ängste und Verzweiflung zur Schau stellt. Filmisch setzt Regisseur Zeitlin auf viele surreale Elemente und erzählt die Rahmenhandlung aus der Sicht eines kleinen Mädchens, das die Welt ausserhab des Krisengebiets nie zu sehen bekommen hat. In einer Szene führt das Steigen des Meeresspiegels zur Freilassung von prähistorischen Monstern, denen sich «Hushpuppy» widersetzen muss. Diese stellen aus ihrer Sicht den Lauf der Dinge dar. Sie ist überzeugt, dass man eines Tages von grösseren und stärkeren Lebewesen aufgefressen wird.
Durch den Südstaatenakzent der Figuren wirken die Dialoge sehr authentisch. Zudem verleiht die vermehrte Demonstration von Gewalt und die Sequenzen des Niedergangs der Gesellschaft dem Film eine düstere Note. Deshalb ist er auch nichts für schwache Nerven: Denn neben den anfänglich ästhetischen Einstellungen der Wildnis und des friedlichen Zusammenlebens von Mensch und Natur; endet der Film mit ekelerregenden Aufnahmen von Tierkadavern und deren Innereien.
Darüber hinaus ist die Handlung der Figuren nicht von vornherein nachvollziehbar. Gewisse Aspekte der Handlung bleiben unbegründet. So fragt sich der Zuschauer zum Beispiel, weshalb es sich zu kämpfen lohnt, obwohl die Zukunft in der alten Heimat nichts Positives verspricht. Die Filmvorstellung kam wie eine Sintflut an Eindrücken daher, so wusste das Zürcher Publikum nicht wie sie den Film zu deuten hatte. Vielleicht lag dies an der geografischen Distanz zum Krisengebiet Louisiana oder an der mangelnden Identifikation mit der Südstaatenmentalität.
Sicher ist nur eins: «Beasts of the Southern Wild» gehört zum epischen Kino und wird sicher noch weiteren Diskussionsstoff liefern.
Regie: Benh Zeitlin
Laufzeit: 93 Minuten
Erscheinungsdatum: ab 20.12.2012 in allen grösseren Schweizer Kinos
Schauspieler: Quvenzané Wallis, Dwight Henry, Jonshel Alexander u.a.
Für wen: Für Liebhaber des Science-Fiction-Kinos mit Interesse an sozialkritischen Themen.