Humorvoll und einfühlsam: Tom Schilling als Niko Fischer. TMDb.pro

Poesie in Berlin

«Oh Boy» ist das Filmdebüt des 34-jährigen Jan Ole Gerster. Eine Tragikomödie, die neben seines Hauptdarstellers Tom Schilling, vor allem von seiner Umgebung Berlin lebt.

28. September 2012

«Kennst du das Gefühl, dass dir die Leute um dich herum merkwürdig erscheinen? Und je länger du darüber nachdenkst, desto klarer wird dir, dass nicht die Leute, sondern du selbst das Problem bist?»

Aus «Oh Boy»: Niko zu Julika

Niko Fischer (Tom Schilling) ist ein eigensinniger Charakter: wortkarg und passiv. Er lebt das typische Leben eines Studenten, mit dem kleinen Unterschied dass er vor zwei Jahren sein Jura-Studium hin geschmissen hat. Die tausend Euro überweist sein Vater trotzdem monatlich, der glaubt immer noch fest daran, dass Niko einst die Anwaltskanzlei übernehmen wird. Bis der eine Tag alles verändert: Sein Vater erfährt vom Studienabbruch und dreht ihm kurzerhand den Geldhahn zu. Als ob das noch nicht genug wäre, wird ihm beim Idiotentest die Fahrerlaubnis entzogen «Emotionale Unausgeglichenheit» lautet die Diagnose des Psychiaters. Gegen Mittag trifft Niko Julika (Friederike Kempter), eine ehemalige Mitschülerin, die früher durch ihn immer als «Schwulika» verspottet wurde. Sie lädt ihn zu einer Off-Theater Performance ein, wo sie auf der Bühne eine Geburt nachstellt. Niko findet Gefallen an Julika bis sich herausstellt, dass sie immer noch unter ihren Minderwertigkeitskomplexen leidet.

Zwischen den allesamt kuriosen Begegnungen ist Niko ständig auf der Suche nach einer Tasse schwarzen Kaffee. Dieser scheint aber in ganz Berlin ausgegangen zu sein.

Berlin im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt von «Oh Boy» steht nicht die Handlung, sondern Niko und die Stadt Berlin. Niko ist ein Träumer, der durchs Leben stolpert und immer etwas hilflos seiner Umgebung gegenüber steht (wunderbar im Trailer zu sehen, als Niko Kaffee bestellen möchte). Tom Schilling spielt diese Figur mit sehr viel Einfühlungsvermögen und Humor. Schilling selbst sagt über seine Figur, dass Niko in gewisser Weise ein Anarchist sei, er beobachtet und statt etwas aus dieser Beobachtung zu ziehen, lässt er sie so stehen.

«Oh Boy» zeigt Berlin in tollen Schwarzweiss-Bildern, unterlegt mit der Filmmusik von «The Major Minors». Die Musik unterstützt die melancholischen Züge, die der Film nach dem komödiantischen Anfang annimmt. «Oh Boy» ist also nicht nur ein humorvoller, sondern auch ein sehr poetischer Film.

Regie : Jan Ole Gerster

Laufzeit: 85 Min

Erscheinungsdatum: Kinostart noch nicht bekannt (am 28.09 am ZFF, in Anwesenheit des Regiesseurs Jan Ole Gerster. Leider ist die Vorstellung bereits ausverkauft. Das ZFF empfiehlt aber 15 Minuten vor dem Film nochmals sein Glück an der Kasse zu versuchen).

Mit: Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike Kempter, Justus von Dohnányi, Michael Gwisdek, Ulrich Noethen

Für wen: Fans von Arthouse Kino, Berlin und exzentrischen Charakteren.